Mut zur Perspektive: Comics über Flucht und Asyl verändern den Blickwinkel

Am 1. April präsentierten Anna Achleitner, Valerie Bruckbög und Kathrin Kaisinger in der Brunnenpassage den Comic-Band „Blickwinkel“. Ein spannendes Debütwerk, das über sehr persönliche Geschichten die Themen Migration, Asyl und Integration aufgreift und zum Nachdenken anregen möchte.

Wie hat es sich ergeben, dass ihr die Themen Asyl, Migration und Integration als Comics aufgreift?

Kaisinger: Als wir das Projekt „Blickwinkel“ 2015 starteten, erlebten wir gerade den Höhepunkt der Fluchtbewegung nach Österreich. In den Medien war viel über Statistiken und Zahlen zu lesen. Wir wollten in unseren Comics den Menschen ein Gesicht geben

Bruckbög: Der Schwerpunkt in diesem Comic-Buch liegt daher auf Flucht und Migration. In Zukunft wollen wir aber auch anderen Themen wie Rassismus, Diversität oder Sozialpolitisches aufgreifen.

Das Comic-Buch hat auch einen pädagogischen Teil mit Übungen. Richtet es sich vorwiegend an Kinder?

Achleitner: Es ist uns wichtig, die Comics an Schulen und in die Erwachsenenbildung zu bringen, denn mit Comics kann man sowohl Kinder als auch Erwachsene ansprechen. Das Medium eignet sich gut, um mit Kindern Themen aufzuarbeiten, die eigentlich komplex sind.

Bruckbög: Wir wollen Comics für interessierte Leser machen, die das Medium kennenlernen wollen. Das Zielpublikum sind Jugendliche, Leute in Ausbildung und Kinder.

Wie finanziert sich das Projekt?

Kaisinger: Die erste Projektphase konnten wir über eine Crowdfunding Kampagne auf respekt.net finanzieren. Wir wollen natürlich weitermachen und sind jetzt auf der Suche nach Fördergebern. Bisher haben wir noch nichts Konkretes.

Ihr seid zu dritt im Team. Wie teilt ihr euch die Arbeit an den Comics auf?

Achleitner: Die Recherche machen wir alle gemeinsam. Die Interviews teilen wir uns auf, manche führen wir auch gemeinsam. Natürlich hat jede ihren Schwerpunkt. Valerie zeichnet, Kathrin macht viel Öffentlichkeitsarbeit, knüpft Kontakte, mir liegt das Pädagogische. Aber wir sind gut eingespielt, sodass eigentlich jede von uns alle drei Bereiche abdecken könnte. Außer das Zeichnen (schmunzelt).

Wie setzt du die Interviews als Comic um?

Bruckbög: Im Comic-Buch gibt es die Geschichte eines jungen Mannes, der aus Syrien geflohen ist. Dabei wollten wir den Fokus nicht auf Dramatisches legen, sondern den Lesern zeigen, was Flucht ist, wie Flucht passiert. Wir haben daher die Route über die Türkei und Griechenland und die Erfahrung der Bootsfahrt nachgezeichnet. Kathrin hat sich mit dem Syrer getroffen, anschließend habe ich das Story Board und kleine Sketche entworfen. Beim zweiten Treffen waren wir alle drei dabei. Danach hab ich die Geschichte nochmal überarbeitet und ihm gezeigt. Es folgt Reinzeichnung, Tusche, dann werden die Zeichnungen eingescannt und am Computer koloriert. Die Texte bestehen aus Zitaten aus dem Interview und aus dem, was Anna und Kathrin an Text ergänzen. Beides kürze ich, damit es für das Medium Comic passt.

Wie kommt ihr mit euren Interviewpartnern in Kontakt?

Achleitner: Das ist ganz unterschiedlich. Manchmal sprechen wir Leute auf der Straße oder im Park an. Manchmal kommen Menschen auch auf uns zu. Es kann sich aber auch aus dem Alltag heraus ergeben. Wenn uns etwas interessiert, da fragt man dann genauer nach.

Wie bei der Geschichte des syrischen Klavierspielers Aeham Ahmad?

Kaisinger: Ahmad ist der einzige Protagonist unserer Comics, den wir bisher noch nicht persönlich kennengelernt haben. Ich bin über eine ZDF-Doku auf ihn aufmerksam geworden und dachte mir, das ist ein berührendes Schicksal und perfekt für „Blickwinkel“.

Achleitner: Wir waren dann über Facebook, Skype und Telefonate in Kontakt. Morgen werden wir ihn zum ersten Mal treffen.

Wie erlebt ihr Diskussionen über Flucht, Asyl und Integration in eurem Umfeld?

Kaisinger: Als wir „Blickwinkel“ starteten, war mein Eindruck, dass viel Unwissen über die Gründe der Flucht da war. Und durch Unwissen entsteht oft Unsicherheit und Angst. Ich habe es ja auch bei mir selbst erlebt. Ich interessiere mich sehr, aber man kriegt wenig über die Hintergründe mit. Weil das halt alles sehr komplex ist. Auch über die Menschen, die zu uns kommen, wissen wir wenig. Wir glauben, dass wir mit unseren Comics die Hemmschwelle mit den Menschen in Kontakt zu treten, senken können. Durch das Medium Comic kann man komplexe Zusammenhänge vereinfachen.

Bruckbög: Es kommt immer darauf an, mit wem man spricht. Manche Flüchtlinge sind ja schon länger da, haben besseren Rückhalt, intensivere Kontakte. Andere stehen erst am Anfang, sind vielleicht traumatisiert und unsicher. Mit manchen kann man über Dinge reden, über die andere noch nicht sprechen wollen.

Achleitner: Seit das Projekt läuft, haben wir selbst auch viel gelernt. Weil man genauer hinsieht und hinhört, was die Menschen darüber denken und wie es jenen geht, die zu uns kommen. Es war also sehr bereichernd für uns. Man wird offener, sieht nicht mehr nur schwarz-weiß.

Wie soll es mit dem Projekt weitergehen?

Bruckbög: Es wäre jedenfalls eine Option Geschichten zu bringen, die in der Region passieren. Wenn man darüber erzählen möchte, braucht man natürlich den Hintergrund und muss dort gewesen sein.

Kaisinger: Ich plane im Sommer ein Volontariat in einem Flüchtlingscamp in Griechenland zu machen. Da werde ich nicht umhinkommen mit Leuten zu reden und ihre Geschichten zu hören. Vielleicht kommen Valerie und Anna nach, damit wir gemeinsam etwas für Blickwinkel machen können.

Einige der Comics von Achleitner, Bruckbög und Kaisinger kann man unter www.mutzurperspektive.at ansehen. Wer das neue Comic-Buch bestellen möchte, schickt ein Email an: info@mutzurperspektive

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