Russland und Iran sind Assads wichtigste Verbündete, die in der Region aber durchaus unterschiedliche Interessen verfolgen. Fünf kurze Inputs von Experten zur Frage, ob die Beziehungen zwischen Russland und Iran an Syrien zerbrechen könnten.
Jan Menzer | Wissenschaftlicher Mitarbeiter beim Deutschen Bundestag und Associate Fellow am Austria Institut für Europa- und Sicherheitspolitik
Die Konflikte zwischen Russland und dem Westen haben in den letzten Jahren zugenommen. Iran ist für Russland ein punktueller Partner. Beide Länder haben gleichgelagerte Interessen, den amerikanischen Einfluss auf den Nahen Osten zu begrenzen. Die Situation in Syrien bietet Russland die Chance zu zeigen, dass es mit seinen Verbündeten für Stabilität sorgen kann. Deshalb stellt sich Russland auch in Fragen, die nicht Syrien betreffen, hinter Iran. Russlands Außenminister Sergej Lawrow stellte sich daher erst vor wenigen Tagen im Streit um das iranische Atomprogramm hinter Iran und erklärte, der Iran verstoße weder gegen den Atomwaffensperrvertrag, noch gegen das Sicherheitsabkommen mit der Internationalen Atomenergie-Organisation noch gegen das Zusatzprotokoll zum Sicherheitsabkommen. Vielmehr seien die USA aus dem Abkommen ausgestiegen und zeigen mit dem Finger auf den Iran.
Mittel- und langfristig werden Russland und Iran aber in einen Konflikt geraten. Beide beanspruchen eine hegemoniale Rolle im Nahen Osten. Syrien ist mit seinem Präsidenten Baschar al-Assad ein traditioneller Verbündeter Russlands. Iran versucht, eine schiitische Achse Teheran-Bagdad-Damaskus zu etablieren. Der sogenannte „Islamische Staat“, der sich in Syrien und Irak territorial ausbreitete, hat seinen ideologischen Ursprung in einer Krise des sunnitischen Islam. Im Anspruch auf den „richtigen Glauben“ beanspruchte der IS, die Schiiten zu bekämpfen. Aus dieser Sicht lag es im Interesse des schiitischen Iran, gegen die Islamisten in Syrien vorzugehen.
Baschar al-Assad hat unter sunnitischen Muslimen mehr Gegner als unter schiitischen Muslimen. Die Flucht und Vertreibung sunnitischer Muslime kam ihm entgegen, seine Herrschaft zu stabilisieren. Russland ist in Syrien auf die Zusammenarbeit mit Iran angewiesen. Ohne die pro-iranischen Bodentruppen wäre es nicht möglich gewesen, dass das Assad-Regime über etwa 60 Prozent des syrischen Gesamtstaates die Kontrolle zurückgewinnt. Zudem ist Iran einer der Hauptgeldgeber des Assad-Regimes.
Ein Störfaktor des iranisch-russischen Verhältnisses könnte Israel werden. Die Ausbreitung pro-iranischer Kräfte in Syrien ist für Israel eine Bedrohung, da Iran offen das Existenzrecht Israels in Frage stellt. Israel toleriert das russische Vorgehen in Syrien und Russland toleriert trotz verbaler Kritik Luftangriffe der Israelis auf iranische Stellungen in Syrien. In den USA wird hingegen signalisiert, ein Syrien unter Baschar al-Assad zu akzeptieren, wenn sich der Präsident von Iran distanziert. Dafür sind Assads Handlungsspielräume aber zu begrenzt. Seine Regierung ist abhängig von einem Balanceakt in- und ausländischer Kräfte, die ihm kaum eine eigenständige Innen- oder Außenpolitik erlauben. Ohnehin ist fraglich, ob die eigentlich konkurrierenden Kräfte, durch die Syrien nach der Niederschlagung des IS zusammengehalten wird, einen handlungsfähigen syrischen Staat etablieren können und wollen.
Die Beziehungen zwischen Russland und Iran werden vermutlich nicht an Syrien zerbrechen. Umgekehrt könnte Syrien aber erneut zerbrechen, wenn die Allianz zwischen Russland und Iran ins Wanken gerät. Russland möchte keine iranische Atommacht. Es würde wohl im Falle eines Krieges gegen Iran auch kaum Partei ergreifen. Russland möchte auch keinen Iran, der in Syrien Zugang zum Mittelmeer erhält und damit neue Handelsrouten schließt. Das russisch-iranische Bündnis hält so lange, wie es geeignet ist, westlichen Einfluss aus Syrien fernzuhalten.
Mark N. Katz | Professor an der George Mason University
Just as Moscow’s close ties to Iran have caused concerns about Russia’s reliability as a partner in Israel and the Arab Gulf states, Moscow’s close ties to Israel and the Arab Gulf states have caused concerns about Russia’s reliability in Iran. There have even been reports about Russia and Iran acting at cross purposes in Syria. Russian- and Iranian-backed enterprises appear to be in competition with each other for reconstruction contracts in Syria. In addition, Moscow and Tehran reportedly back rival elements within the Syrian security services. While Russian forces cooperate with their Iranian counterparts in Syria, the Chechen forces loyal to pro-Putin strongman Ramzan Kadyrov that Moscow has sent there reportedly do not. Some observers have also noted that while Russia is unwilling to do anything to directly challenge Iran in Syria, Moscow has done little to interfere with Israel doing so.
Despite all these differences, however, Russia and Iran are not likely to fall out over Syria, or more generally. Neither wants the burden of propping up the Assad regime all alone. Tehran needs Russia to provide the air power Iran does not have, and Moscow needs Iran (along with Hezbollah and its other Shi’a militia allies) to supply the ground forces which Russia does not want to send to Syria itself. What Moscow and Tehran seem to be doing, then, is not seeking to exclude the other from Syria but to keep the other side in but gain the upper hand over it. Further, so long as Moscow and Tehran each sees the United States as a more formidable adversary than the other, they are likely to continue cooperating with each other in Syria despite also competing there.
Constantin Lager | Projektkoordination Syrian Futures Projekt bei Shabka
Russland und der Iran verfolgen ähnliche Interessen im Nahen Osten. Beide streben sie danach, den Einfluss der USA in der Region zu begrenzen und selbst als gestaltende Regionalmacht wahrgenommen zu werden. Ihr Weg zur Erfüllung dieser Interessen führt über Damaskus. Dazu braucht Putin, der Assad speziell von der Luft aus unterstützt, die von Teheran gesteuerten schiitische Bodentruppen und vice versa. Das Verhältnis zwischen Moskau und Teheran ist Ausdruck liebloser Realpolitik. Wenngleich heute noch intakt, könnten langfristig drei Aspekte die Beziehung gefährden.
Erstens, das Eindringen in die jeweils andere Machtsphäre wird als Bedrohung wahrgenommen. Teheran wird ab 1. Oktober den syrischen Containerhafen in Latakia mieten. Iranische Einrichtungen sowie Personal werden sich somit verstärkt an der russisch dominierten und strategisch wichtigen Mittelmeerküste befinden. Aber auch die iranischen Machtprojektionen in den Kaukasus könnten von Moskau als Bedrohung wahrgenommen werden.
Zweitens könnte Russland auf Wunsch Israels und der USA versuchen, den iranischen Einfluss in Syrien zurückzudrängen. Mehrfach hat die Trump-Administration anmerken lassen, dass sie im Gegenzug das Assad-Regime anerkennen würden. Ob das Zugeständnis, den ohnehin im Gewinnen begriffenen Assad anzuerkennen jedoch so verlockend ist, kann bezweifelt werden. Vielmehr würde Putin sich die Ausweisung seines Partners teuer bezahlen lassen, etwa durch die Anerkennung der von Russland annektierten Krim. Mit einer solchen Anerkennung würden die USA jedoch die bereits angekratzten transatlantischen Beziehungen zu Europa weiter gefährden. Darüber hinaus versteht es Putin gut, auch mit verfeindeten Seiten gute Arbeitsbeziehungen zu unterhalten.
Drittens ist der Iran in der syrischen Bevölkerung alles andere als gut angesehen und auch der syrische Sicherheitsapparat ist bereits stark russisch dominiert. All dies unterstützt Moskau in seinem Streben nach regionalem Einfluss.
Solange jedoch Russland und Moskau voneinander abhängig sind und es beiden Akteuren an alternativen Partnern mangelt, werden sie ihre Zweckbeziehung aufrechterhalten.
Anna Chtorkh | International Relations graduate.
Moscow performs a delicate balance act: keeping a distant yet friendly relation with Tehran, presenting itself as an impartial mediator, whilst deftly taking advantage of the tensions arising between Iran and other actors.
With the war in Syria winding down, good cooperation between Russia and Iran is not as crucial as it was during the most acute stages of the conflict. Moscow and Tehran have diverging interests, from the distribution of political and economic influence in Syria up to the balance of power across the whole region.
An announcement made by a Russian official that Iran is not an ally, and rumours on a Russia-U.S.-Israeli deal aimed at diminishing Iran’s influence in Syria, have triggered concerns in Tehran about the reliability of the partnership. The Kremlin might further estrange itself from Tehran as it uses the escalating U.S.-Iran tensions for its own benefit.
Nevertheless, Moscow needs to remain on good terms with Tehran, in Syria – to ensure the continuity of Assad’s regime and to assert Russian influence in a peaceful way, – and beyond. Iran is a member of the Shanghai Cooperation Organisation that covers broader interests shared by both countries, and their success in Syria is common ground for future cooperation in other domains.
On the other hand, Russia does not want to be overtly associated with Iran. Not only does Moscow wish to preserve the status quo with other regional actors such as Israel and Saudi Arabia, but also to secure the prestigious role of mediator in the Middle East. Thanks to its well-balanced engagement with warring countries, Russia will remain a key regional and global actor to be addressed on an equal footing with the U.S. and other major players.
Whilst cultivating a peacekeeper image, Moscow makes sure to keep the situation slightly tense in the eyes of each of its interlocutors so as to leave room for negotiations. Russia leaves the possibility of a rapprochement with Iran open to seek bilateral concessions with Tehran at a propitious time, while keeping the West alert.
Elisabeta Dinu | Ph.D. Candidate at the Central European University
The Russians and the Iranians might have tactical disagreements in Syria, but it takes much more to make a marriage like theirs fall apart. Russian-Iranian relations have a historical hostility imprint, from Russian Empire territory contentions to the Soviet support for Iranian foe Saddam Hussein. Despite its hostility towards the Americans, the Islamic Republic was never fond of the Soviets. Even after the Russians withdrew from Afghanistan and the Iran-Iraq war ended, it took effort from Gorbachev and Yeltsin to pursue rapprochement; and the friendly 1990s became bumpier since Putin was first elected. The Iranians will always be circumspect about the Russians. And Russia will keep showing the Iranians they can and will shelter them internationally as long as Teheran does Moscow’s will. ‘Nudging’ the Iranians in Syria is no exception from the rule.
At the strategic level, access to Syria is as important as the race for influence. Syria is Moscow’s gateway to the Mediterranean and remains the only Arab country whose friendly relations with the Kremlin have not been broken since the 1950s. For the Iranians, Syria is the passageway to Israel, and the logistical backbone of Hezbollah – the Iranian-backed Lebanese armed organization threatening Israel in its proximity. Regardless of their rivalry, Iran and Russia know their bizarre partnership tips the scale in Assad’s favor, and remain committed to challenging US hegemony.
Whether they like it or not, the Iranians also know they have no better option than Russia. Realpolitik is back, White House policy towards Iran is as aggressive as ever, and the UK is moving away from the friendlier European club trying to renegotiate the Nuclear Deal. Isolated internationally, affected by sanctions and under threat of military escalation, Iran does not need another enemy. And despite disagreements in Syria, Russia does not disappoint: commenting on the explosions that damaged two commercial vessels in the Straight of Hormouz for which the US accuses Iran, Russian Foreign Minister Sergey Lavrov said Russian officials do not have data incriminating the Iranians.
But it is not only the Iranians that benefit from this partnership. Since Yevgeny Primakov onwards, Russia assumed a pivotal role in MENA to challenge US hegemony in global politics. Russia maintains open communication channels with all major players in the Middle East, and its favorable relationship with Iran is an important source of bargaining chips – in relation to the US and the Israelis, the latter remaining a priority on Putin’s list. This being said, despite contentions in Syria, Iran and Russia’s marriage of convenience does not show signs of ending too soon.