Nach dem Ausstieg der USA aus dem Wiener Atomabkommen im letzten Jahr haben die Spannungen im Persischen Golf deutlich zugenommen. Drei kurze Inputs von Experten zur Frage, ob ein Krieg zwischen den USA und dem Iran droht.
Constantin Lager | Projektkoordination Syrian Futures Projekt bei Shabka
Als “Ergebnis einer historischen Anstrengung” wurde das JCPOA, der sogenannte Atomdeal mit dem Iran, 2015 gefeiert. Und genau das war er auch. Das Damoklesschwert über der Region in Form einer iranischen Atombombe und amerikanisch- israelischen Gegenmaßnahmen war verschwunden, die Sanktionen wurden schrittweise gelockert und der Iran sollte wieder in das internationale System reintegriert werden. Nach dem einseitigen Austritt der USA aus dem JCPOA 2018 begann sich jedoch die Spirale aus Imponiergehabe und Gewaltandrohung immer schneller zu drehen. Das Potential für einen Krieg zwischen Teheran und Washington war noch nie so groß wie heute.
Doch wer würde von einem Krieg zwischen dem Iran und den USA eigentlich profitieren? Vielleicht ist es das durch die eigene Bevölkerung bereits angezählte Regime in Teheran, das bei freien Wahlen womöglich von über 70 Prozent der IranerInnen abgewählt werden würde. Da kommt so ein äußerer Feind zur inneren Konsolidierung gerade recht. Dies gilt im Umkehrschluss jedoch auch für die Trump-Administration, die sich in Kürze einer Wiederwahl stellen muss. Ein US-Präsident als Kriegsherr würde gelegen kommen, denn in dieser Rolle wurde noch nie einer abgewählt.
So wirklich profitieren würde am Ende jedoch niemand. Denn das Regime in Teheran stünde vor der möglichen “Auslöschung” und der US-Präsident würde in die “Mutter aller Kriege”, da dieser wohl kaum auf den Iran beschränkt bleibt, hineingeraten.
Ich bin davon überzeugt, dass dies den StrategInnen auf beiden Seiten durchaus bewusst ist. Doch wer mit Feuer spielt, kann sich leicht verbrennen. Eine abgeschossene Drohne oder eine bombardierte Radarstation zu viel und die Eskalationsspirale entgleitet ohne der eigentlichen Intention der Parteien. Diese Unberechenbarkeit von Gewaltanwendung bedeutet die Logik des Krieges.
Solange der Iran aus dem internationalen System exkludiert bleibt und die USA das JCPOA nicht wieder aufnehmen, bleibt die Kriegsgefahr hoch und die historische Anstrengung droht zu einem historischen Versagen zu verkommen.
Heinz Gärtner | Advisory Board des International Institute for Peace (IIP)
Die Situation um den Iran kann eskalieren, ein Krieg ist möglich, Viele in der Region wollen den Iran schwächen – das kann durch einen Krieg erreicht werden, der unabsehbare Folgen haben würde.
Washington und Teheran sind an den Rand eines Krieges geraten, nachdem der Iran eine US-Aufklärungsdrohne abgeschossen hatte. Die Drohne hatte vermutlich Aufklärung über dem Territorium des Irans getrieben. Im Gegenzug drohte Trump im Falle eines neuen Zwischenfalls, dem Iran einen „vernichtenden“ Schlag zu versetzen.
Die wichtigen Beteiligten drängen auf Militärschläge. Das sind US-Außenminister Pompeo und US-Sicherheitsberater Bolton, der Prinz von Saudi-Arabien, bin Salman, und der Ministerpräsident von Israel, Netanjahu. Zudem ist zu erwarten, dass es weiterhin verschiedene Zwischenfälle geben wird, die dann zum Anlass genommen werden können, auch militärisch zuzuschlagen. Wir kennen aus der Vergangenheit, dass man immer wieder einen Anlass gesucht hat. Alles, was als Bedingungen an den Iran gestellt wird, kann man mit Krieg erreichen, aber die Konsequenzen wären katastrophal. Die USA können überall auf das Militär zurückgreifen, ob das Irak, Afghanistan oder Kuba sind. Viele in der Region wollen den Iran schwächen, und dass kann durch einen Krieg erreicht werden. Das kann aber unabsehbare Folgen haben – nicht nur der Iran kann zerbombt werden, es kann auch zu einem Bürgerkrieg kommen, der Islamische Staat und Al-Kaida könnten zurückkommen. Die Situation hängt an einem dünnen Faden, und die Frage ist, wie lange Trump da noch zögern kann.
Gleichfalls ist Trump derjenige, der gezündelt hat. Die USA sind durch die einseitige Aufkündigung des internationalen Atomabkommens im Mai 2018 für die Destabilisierung in der Region verantwortlich. Die EU-Länder, die Nato-Bündnispartner der USA, sprechen sich gegen die neuen US-Sanktionen gegen den Iran aus. Aber die EU ist zu schwach, weil sie nichts anzubieten hat. Die Europäer haben riesige Angst vor den USA, wenn sie von Sekundärsanktionen betroffen sind, und sie sind in der verbalen Unterstützung sehr schwach geworden gegenüber dem Iran. Russland hat sich verbal stark hinter das Abkommen mit dem Iran und gegen die Isolierung des Irans gestellt. Es ist wirklich wichtig, dass der Iran zumindest eine politische Unterstützung bekommt, damit die USA sehen, dass der Iran nicht ganz isoliert ist. Das hat er bis jetzt von der EU und von Russland bekommen.
Maysam Behravesh | Senior Political Analyst at Persis Media, a US-based production firm
Tensions between the Islamic Republic and the United States have soared to perhaps the highest level since the 1979-81 hostage crisis, and this new spiral of escalation was set in motion when US President Donald Trump scrapped the 2015 nuclear deal unilaterally and decided to reimpose nuclear sanctions against Iran. After a year of exercising “strategic patience” and pushing Europe, albeit in vain, to shield its interests against the US “maximum pressure” campaign, Tehran took retaliatory steps and started a process of multistage withdrawal from the JCPOA by gradually rolling back its nuclear commitments. This got us where we are now.
It does not mean, however, that a major military confrontation is imminent. It is not, but there are two factors that could lead us to one: one at a micro individual level, that is, accidents, and another at a macro structural level, that is, lack of a path out of this escalation.
As the the recent shootdown of an American reconnaissance drone by the Revolutionary Guards showed, accidents could happen and easily trigger a conflict. I do not think the US deliberately wanted to provoke Iran, nor was Tehran eager to initiate war, but due to a miscalculation or mistake we were only minutes away from a military confrontation that could conveniently escalate into a full-fledged war.
Equally importantly, with economic pressure on Tehran mounting and channels of communication and diplomacy getting increasingly shut down, Iran and the US have arguably been set on a collision course. What if the US persists with its “maximum pressure” campaign and Iran persists with ratcheting up its nuclear program in response including uranium enrichment to higher levels? What will be the next scenario? Probably Israeli or US military action against Iran to prevent its full-fledged nuclearization as both have pledged. Absent diplomacy and deescalation, the current path we are on leads to war, maybe not tomorrow or next month, but most probably in a more distant future”.