Ägyptens wichtigste Wasserquelle droht langsam auszutrocknen. Für das Land am Nil zeichnet sich eine Katastrophe ab.
Der ägyptische Autokrat Abdelfattah al-Sisi triumphiert. Mit dem Tod des Muslimbruders Mohammed Morsi, dem ersten und bisher einzigen demokratisch gewählten Präsident Ägyptens, erlischt ein weiteres Symbol der Revolution vom 25. Jänner 2011. Ein Kapitel, das die Eliten nur allzu gern aus dem kollektiven Gedächtnis der Gesellschaft bannen würden. Al-Sisis beinahe pharaonische Machtfülle ist unbestritten. Der von ihm durchgesetzte Status-quo kann jedoch nur mit äußerster Gewalt durchgesetzt werden. Und davon wissen die 60.000 politischen Gefangenen im Lande ein trübes Lied zu singen. Dennoch kann von stabilen Verhältnissen keineswegs die Rede sein. Eine ökologische Katastrophe bahnt sich an und könnte auch den starken Mann am Nil in die Bredouille bringen.
Das Wasser wird knapp
Das jährliche Wasserdefizit liegt mittlerweile bei ca. 20 Milliarden Kubikmeter. Der Grund: Die Lebensader Ägyptens trocknet aus. Etwa 90 Prozent der Wasserversorgung kommt vom Nil. Hier spitzt sich die Lage allerdings wegen des Klimawandels dramatisch zu. Die immer längeren Dürren in Ostafrika sorgen dafür, dass nicht mehr Genug Wasser in die Quellflüsse, in den Blauen und den Weißen Nil, gespült werden. Nicht nur in Ägypten, sondern auch für die anderen Nilbeckenanrainer könnte der Wassermangel in nur einem Jahrzehnt existenzbedrohliche Folgen haben. Mit seinen 6.650 Kilometern verläuft der Nil durch elf afrikanische Anrainerstaaten und ist Wasserlieferant für rund 400.000 Menschen. Ab 2030 soll diese lebenswichtige Ressource jedoch nur mehr für die Hälfte der Einwohner reichen. Der Wettstreit ums Wasser ist bereits im Gange wie der Konflikt zwischen Ägypten und Äthiopien rund um den Grand-Ethiopian-Renaissance-Staudamm sehr deutlich zeigt. Eines ist gewiss – je höher das Wasserdefizit in Zukunft wird, desto größer die Eskalationsgefahr für die gesamte Region. Das ägyptische Regime hat hierfür keine konstruktiven Lösungen parat. Im regionalen Konflikt rund um Wassernutzungsrechte setzt man gerne mal auf Drohgebärden und markiert den Alleinbesitzer des Nils. Ebenso gibt es innenpolitisch keine nennenswerten Vorstöße, um den Wassermangel in den Griff zu bekommen.
Ignoranz der Eliten
Politische Untätigkeit trägt aber seit Jahren schon zur Verschärfung der Lage bei. Dabei könnte man zumindest bei der unerträglichen Verschmutzung des Nils anfangen, die mittlerweile selbst der heimischen Wirtschaft schadet, etwa in der Fischproduktion, wo die Fischzucht mittels Aquakulturen im Strom kaum mehr möglich ist. Besonders die Landwirtschaft leidet sehr unter dem Wassermangel. Hinzu kommt, dass aufgrund des Klimawandels die Desertifikation voranschreitet und Nutzfläche immer geringer wird. Die Folge ist vermehrte Landflucht in die Großstädte, wo eine destruktive Spirale aus Bevölkerungsdruck, schlechte Infrastruktur, größerer Wasserbedarf und mehr Schmutz entstanden ist.
Die Herrscherclique rund um Machthaber Al-Sisi ist sich dieser Problematik durchaus bewusst, nimmt sie aber geflissentlich hin. Nichts verdeutlicht die Torheit des ägyptischen Establishments besser als der Bau einer neuen Hauptstadt inmitten der Wüste, fern von den riesigen Slums der Metropolen. Al-Sisi lässt sich sein Prestigeprojekt rund 50 Mrd. US-Dollar kosten, während die Armutsrate im Land bei 30 Prozent liegt. Aus den Augen, aus dem Sinn, könnte man meinen. Die Abschottung der Reichen und Mächtigen dient allerdings nicht bloß der Bildung einer geschlossenen elitären Parallelgesellschaft. Gated Communities gibt es hier zuhauf. Abdelfattah al-Sisi ist bestimmt nicht entgangen, dass sich die wirtschaftliche Lage nicht entspannt, sie sich wegen der klimatischen Krise sogar weiter verschlechtert. Für den Machterhalt setzt er deshalb auf folgende Taktiken: Erstens die räumliche Distanz zur einfachen Bevölkerung und zweitens die volle Härte gegen jeglichen Protestkeim. Ägyptens Gefängnisse – auch das ist gewiss – werden sich sobald nicht leeren.