Mitte Juli hat ein Zivilgericht in Den Haag dem niederländischen Staat Mitschuld am Massaker in Srebrenica zugesprochen: Die 300 für die UN-Schutzzone Srebrenica verantwortlichen niederländischen Blauhelme haben im Juli 1995 ihre Pflicht vernachlässigt.
Diese gerichtliche Schuldzuweisung weckt schmerzhafte Erinnerungen bei den Vereinten Nationen (UN): Im Jahr zuvor hatte sich trotz anwesender UN-Soldaten ein Genozid in Ruanda ereignet. Dort hatte das Mandat des Sicherheitsrates eine Gewaltanwendung zum Schutz der Zivilbevölkerung untersagt.
In Bosnien waren so genannte Schutzzonen eingerichtet worden. Die niederländischen UN-Soldaten wären berechtigt gewesen, im Falle von friedensbedrohenden Situationen zu den Waffen zu greifen. Dennoch war die rechtliche Situation seinerzeit offenbar unklar. So hat der Sicherheitsrat als Lehre das Konzept „Protection of Civilians“ geschaffen. Dieses sieht vor, dass die internationale Staatengemeinschaft bei Vorliegen eines Mandates des Sicherheitsrates Maßnahmen zu treffen berechtigt ist, die Zivilbevölkerung vor Gewalt zu schützen.
Aus zivilgesellschaftlicher Perspektive drängen sich drei Forderungen auf. Eine erste betrifft die Notwendigkeit der Weiterentwicklung von Mechanismen der Frühwarnung (early warning) und des rechtzeitigen Handelns (early action). Dabei sind nicht nur UN und ihre Mitgliedstaaten, sondern auch Wissenschaft und Zivilgesellschaft gefragt. Die Medien etwa können im Rahmen einer konfliktsensitiven Berichterstattung in jeder Konfliktphase deeskalierend wirken. Ein präventives Eingreifen in Bosnien wäre bereits vor 1995 notwendig gewesen. Der Konflikt zwischen Christen und Muslimen war nicht erst in jenem Jahr nach Srebrenica gekommen. Die Zivilgesellschaft hat gerade bei der zivilen Konfliktprävention bereits effektive Möglichkeiten entwickelt. Vorbeugen ist nicht nur besser, sondern vor allem auch billiger als nachträgliches Heilen.
Die zweite Forderung betrifft die Berücksichtigung des „Protection of Civilians“-Auftrages in UN-Peacekeeping-Einsätzen. Dafür ist ein eingehendes Training des Personals notwendig. Immerhin ist der „humanitäre Dienst“ mit der Waffe aus sehr guten Gründen nicht Mittelpunkt des Militärischen. Derartige Trainings werden vom Österreichischen Studienzentrum für Frieden und Konfliktlösung in Kooperation mit dem österreichischen Verteidigungsministerium und den UN in New York organisiert.
Die dritte Forderung zielt auf eine Reform der UN ab: diese muss effektiver den Frieden gewährleisten, ohne dabei das Gewaltverbot auszuhöhlen. Der Missbrauch eines Mandates des UN-Sicherheitsrates (z.B. Libyen-Krieg) führt zu seiner Lähmung oder zu einer unzureichenden Mandatierung und nährt letztlich jene Stimmen, die das Recht des Stärkeren statt der Stärke des Rechts fordern.
Dr. Thomas Roithner und Dr. Maximilian Lakitsch sind Wissenschafter am Österreichischen Studienzentrum für Frieden und Konfliktlösung (ÖSFK Burg Schlaining).