In Wien wurde auf die Wohnung von Natascha Strobl geschossen, Mitorganisatorin der Proteste gegen den rechten Akademikerball.
Ende Januar fand in Wien der Akademikerball der deutschnationalen Burschenschaften statt. Rund 8.000 Menschen stellten sich den Rechtsextremen in den Weg und versuchten, die Zugänge zum Ball zu blockieren. Eine führende Rolle in den Mobilisierungen spielte die „Offensive gegen Rechts“ deren Sprecherin Natascha Strobl ist. Die OGR ist ein Bündnis der sozialdemokratischen Jugendstrukturen sowie der marxistischen und trotzkistischen Organisationen mit Unterstützung mehrerer Gewerkschaften.
Drohungen nach öffentlichem Auftritt
Bereits unmittelbar nach dem Akademikerball gab es Drohungen gegen Natascha – vor allem wegen ihres couragierten Auftretens in den Medien, unter anderem im Rahmen einer TV-Debatte mit Andreas Mölzer, dem rechtsextremen Cheftheoretiker der FPÖ und zu jener Zeit noch Spitzenkandidat der Partei bei den EU-Wahlen. Ebenfalls präsent Wiens Polizeipräsident Pürstl, der DemonstrantInnen live als „Hunde“ bezeichnete. Später wurde bekannt, dass Pürstl in seiner Jugend selbst Burschenschafter bei der Verbindung „Franko-Cherusker“ war. In den folgenden Tagen gehörten Sätze wie „Du widerwärtige rote Scheiß-Figur“ noch zum Freundlicheren, was Natascha in ihrer Mailbox fand, wie sie dem Autoren dieses Artikels erzählt.
Nun haben diese Drohungen eine neue Qualität erreicht, die bisher in Wien kaum bekannt war. Am 31.03. fand Natascha ein Einschussloch in einem Fenster ihrer Wohnung. Sie geht nicht von einem Zufall aus: „Der Einschusswinkel ist wirklich sehr gerade. Da ich nicht im Erdgeschoss wohne muss also jemand annähernd auf gleiche Höhe gekommen sein – einzige Möglichkeit ist der Zaun des Parks gegenüber.“ Sie betont auch die Nähe zum Erscheinen ihres Buch über die „Identitären“. Diese neue aktivistisch-rechte Modeströmung rekrutiert sich in Österreich stark aus dem Milieu der deutschnationalen Burschenschaften, bekannte Protagonisten der Identitären haben bereits in der Vergangenheit eine Veranstaltung mit Natascha gestört.
Der Angriff auf Natascha ist nicht der erste im Zusammenhang mit dem Ball. 2012 wurde der damals 69-jährige ehemalige sozialdemokratische Bundesrat Albrecht Konecny von Rechtsextremen rund um die Hofburg brutal zusammengeschlagen. Laut Konecny sahen Polizisten dabei zu und weigerten sich danach sogar, die Rettung zu informieren. Ihre Begründung: der Polizeifunk sei überlastet. Bis heute gibt es keine Verurteilung der Täter, obwohl es schwerwiegende Hinweise auf einen Tatverdächtigen gibt.
Der Pate und die Polizei
Auch diesmal hat die Polizei versucht, zu verharmlosen. Die ersten eintreffenden Beamten gingen von einem Kinderstreich aus. Ein Polizist – offenbar ein Fan des „Paten“ – sagte zu Natascha, dass jemand, der sie ernsthaft bedrohen wolle, ihr eher einen Pferdekopf ins Bett gelegt hätte … was wohl vor allem tief in die Psyche manches österreichischen Polizeibeamten blicken lässt.
Am nächsten Tag dann tauchte der Verfassungsschutz auf, der einen politischen Zusammenhang einräumte, danach erklärte die Polizei, dass sie einen solchen doch nicht sehen würde – was in Folge wiederum vom Verfassungsschutz relativiert wurde. Der letzte Stand: der Verfassungschutz geht nun endgültig von einem politischen Hintergrund aus, Natascha zeigt sich allerdings gespannt, wie oft sich die Einschätzung noch ändern wird.
Gemeint sind wir alle
Natascha legt Wert darauf, dass zwar sie aktuell betroffen ist, der Angriff allerdings nicht ihr allein gilt sondern alle AntifaschistInnen einschüchtern soll. Natascha weist dabei auf die verschiedenen Ebenen der Repression hin. Sie erwähnt die staatliche Ebene ebenso wie die Begleitmusik durch manche Medien, etwa die als linksliberal geltende Stadtzeitung „Falter“ (die sich in ihrer Berichterstattung sehr eindeutig gegen die DemonstrantInnen positionierte). Auf juristischer Ebene betroffen ist derzeit vor allem der Antifaschist Josef aus Jena, der seit den Protesten gegen den Akademikerball in Wien in Untersuchungshaft ist. Insgesamt ermittelt die Polizei derzeit in Folge des Balls gegen rund 500 AntifaschistInnen, wie Mitte März bekannt wurde.
Natascha und die OGR jedenfalls lassen sich von den Attacken von Staat und Neonazis nicht beirren und planen bereits die nächsten Aktionen: eine Demonstration zum Jahrestag der Befreiung am 8. Mai, eine Antifa-Konferenz Mitte Mai sowie verschiedene Aktionen rund um den EU-Wahlkampf. Und für Natascha steht fest: „Zum Schweigen lasse ich mich sicher nicht bringen. Im Gegenteil, wir sind motiviert und machen weiter!“