Nennen wir das Kind beim Namen

Über Bewerbungsgespräche und Deutschfetische. Ein Kommentar anlässlich des Internationalen Tages gegen Rassismus

„Sprechen Sie denn überhaupt gut genug Deutsch?“ Bei einem Vorstellungsgespräch ist man ja auf viele Fragen vorbereitet, aber auf diese war ich es nicht. Verdutzt weise ich darauf hin, dass ich in Österreich geboren bin und zwei österreichische Universitätsabschlüsse besitze. Wir unterhalten uns schließlich auch seit einigen Minuten in deutscher Sprache, füge ich hinzu. „Das heißt doch noch nichts“, entgegnet mir der Herr mit einem Lächeln. Ich müsse schließlich Stichwörter in eine Datenbank eingeben, da dürfe man keine groben Fehler machen. Als mir ein zweites Mal diese Frage gestellt wird, blicke ich nur ungläubig auf meinen Lebenslauf, den er in seinen Händen hält.

„Bin ich denn überempfindlich?” frage ich mich auf dem Heimweg. Ich wäge ab: die Bezahlung ist gut.  Es handelt sich um ein zeitlich begrenztes Projekt. Der Ärger über die Frage zu meinen Deutschkenntnissen sitzt jedoch sehr tief. Die „Herausforderung“ nehme ich dennoch an, zu groß die Geldnot. Ich schiebe es mal auf eventuelle Überempfindlichkeit, die Menschen beim Thema Rassismus gerne unterstellt wird.

Das Tippen von Wörtern wie Rathaus, Sonnenstrahlen oder Regenwetter in eine Datenbank  gelingt mir mit Bravur. Doch die Monotonie der Arbeit und der noch tief sitzende Ärger tun ihr übriges: ich beende die Tätigkeit vorzeitig.

Damla, die Telefonistin

Während ich meine Deutschkenntnisse beweisen muss, schaffen es andere aufgrund ihres Äußeren erst gar nicht zum Vorstellungsgespräch. Als eine Stelle als Telefonistin in einem Unternehmen frei wurde, war die Hälfte der Bewerberinnen Kopftuchträgerinnen, darunter Damla.  „Mit Kopftuch kriegst du schwer einen Job, wo du von KundInnen gesehen wirst. Bei meinem letzten Job in einem Call Center musste ich mir einen deutschen Vornamen zulegen, um manche Kunden nicht zu verschrecken.“

Noch immer sind Menschen mit Migrationshintergrund in manchen Berufssparten unterrepräsentiert. Sie werden überdurchschnittlich oft in gering entlohnten Positionen eingesetzt. Gründe dafür gibt es viele: von gesetzlichen Einschränkungen, fehlendem Sozialkapital bis hin zu Diskriminierung am Arbeitsplatz.

Auf dem Arbeitsmarkt zeigt sich eine ethnische Segmentierung – bei ungesunden und gefährlichen Jobs dominieren Menschen mit Migrationshintergrund.

Die Jobsuche ist jedoch nicht nur für MigrantInnen geprägt von Vorurteilen. Anonymisierte Bewerbungsschreiben, welche ohne Fotos und Angaben zum Herkunftsland und dem Geschlecht auskommen, sollen vor Diskriminierung jeglicher Art schützen.   In einem Pilotprojekt der Kooperationsstelle Wissenschaft und Arbeitswelt (KOWA) und des Instituts zur Zukunft der Arbeit (IZA) wurden 8.550 Bewerbungen anonymisiert bei Unternehmen eingesehen. Das Ergebnis: Frauen und Bewerbende mit Migrationshintergrund haben im Vergleich zum herkömmlichen Verfahren anonymisiert bessere Chancen zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen zu werden. Das Fehlen von persönlichen Daten wie etwa Name, Geschlecht oder Alter wurde von der Mehrheit der Personalverantwortlichen außerdem als durchführbar und als problemlos gewertet. Durch anonymisierte Bewerbungsschreiben erhöht sich die Chance einer Einladung zum Bewerbungsgespräch. Ein anonymes Bewerbungsgespräch hingegen ist unmöglich und spätestens dort sitzt Damla als Damla ihren potentiellen ArbeitgeberInnen gegenüber – mit Kopftuch.

Rassismus ohne Rassen

In Österreich sind anonymisierte Bewerbungsverfahren noch nicht in Sicht. Stattdessen gelten Integrationsprojekte der „Völkerverständigung“ und Deutschkenntnisse gelten nach wie vor als Garant gegen Exklusion. Es herrscht der ewige Aufruf zur Integration und Partizipation. Doch gegen bestimmte festbetonierte Denkmuster in den Köpfen von Personalchefs helfen auch keine Deutschkenntnisse der BewerberInnen.

In Österreich zeigt sich dieses Problem schon in der Schwierigkeit das Kind beim Namen zu nennen: Rassismus. So fallen in Kopftuchdebatten gerne selbstentlarvende Aussagen wie: „Muslime sind keine Rasse, das ist deshalb kein Rassismus.“ Das Wissen, dass Rassismus keine Rassen braucht und dass es biologisch gesehen ohnehin keine Rassen gibt, fehlt.

Frauen wie Damla bleiben weiterhin „unsichtbar“ und das Telefonieren wird zu ihrer Berufung gemacht. So passiert es dann auch, dass ich, obwohl ich mein gesamtes Leben in Österreich verbracht habe, potentielle ArbeitgeberInnen zuerst von meinen Deutschkenntnissen überzeugen muss.

Rassismus zeigt sich im Alltag in den verschiedensten Formen und Bereichen. Die Anti-Rassismus-Organisation ZARA (Zivilcourage und Anti-Rassismus-Arbeit) erfasst rassistische Fälle in ganz Österreich und veröffentlicht sie heute im jährlichen Rassismus-Report. Die dokumentierten Fälle zeigen auch in diesem Jahr: mit „Überempfindlichkeit“ können diese Erfahrungen sicherlich nicht erklärt werden.

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