Im Nordosten von Bosnien und Herzegowina liegt das kleine Dorf Poljice. Es ist Winter. Die Roma Siedlung in der Nasif, Senada und die beiden Töchter Sandra und Semsa leben, versinkt im Schnee. Während Nasif im Wald Holz hackt und für das nötige Brennholz sorgt, heizt Senada den Ofen an und beginnt zu Kochen, Sandra und Semsa tollen auf der Couch herum, im Hintergrund plärrt lautstark ein Zeichentrickfilm vor sich hin. Gelebt wird von der Hand in den Mund. Das Leben der Familie wirkt einfach und ärmlich aber nicht trostlos.
Nasif verdient sein Geld als Schrottsammler. Gemeinsam mit einem Nachbar zerlegt er Autos und bringt die Einzelteile in die nächstgelegene Stadt, Tuzla, um Sie dort einem Schrotthändler zu verkaufen. Was er verdient, ist nicht viel, aber es reicht für das tägliche Brot und ein Gläschen nach getaner Arbeit.
So beginnt der Dokumentarfilm des bosnischen Filmemachers Danis Tanović. Das Tempo ist ruhig und erinnert an die kalte und abgeschiedenen Winterlandschaft. Eine Winternovelle, so wird der Film von Kritikern beschreiben.
Senada steht im Badezimmer über die Badewanne gebeugt, die Wäsche wird von Hand gewaschen. Plötzlich bekommt sie starke Unterleibsschmerzen, sie fahren ins nächst gelegene Krankenhaus. Die Diagnose lautet: ein toter Fötus und bevorstehende Sepsis, Kostenpunkt für die notwendige Operation umgerechnet ca. 500€. Da Senada weder versichert ist noch die Familie über das nötige Geld verfügt, werden sie kurzerhand wieder nach Hause geschickt. Hier beginnt sich der Film in Bewegung zu setzten. Der verzweifelte Ehemann versucht das Unmögliche möglich zu machen.
Danis Tanović, bekannt durch seine 2001 oscarpremierten Film No Man’s Land, zeichnet nicht die Geschichte irgendeiner Familie nach. Es ist die tatsächliche Geschichte von Nasif, Senada, Sandra und Semas. Durch einen kurzen Zeitungsartikel wird er auf die Familie und ihre tragische Geschichte aufmerksam und setzt sich mit ihnen in Verbindung um einen Film über diese Ungerechtigkeit zu drehen. Das besondere an An Episode in the life of an Iron Picker sind die Protagonisten, die Schauspieler: Nasif Mujic und Senada Alimanovic. Sie spielen sich selbst und lassen das Geschehene vor der Handkamera Tanović Szene für Szene Reveu passieren. Jeder spielt sich selbst, Kinder, Nachbarn, Familie, Freunde und auch die Mitglieder der Roma Hilfsorganisation. Nur die behandelten Ärzte mussten durch Schauspieler ersetzt werden.
Eine ungewöhnliche Herangehensweise. Der Film wirkt nicht nur, er ist authentisch. Eine Authentizität die in ihrer Unaufgeregtheit Skandal-Voyeurismus tunlichst meidet.
Der diesjähre Eröffnungsfilm des This human World Filmfestivals gewann heuer bereits den großen Preis der Jury der Berlinale und mit Nasif Mujic den silbernen Bären für den besten Schauspieler. Die Eröffnung fand im Rahmen einer Gala, moderiert von Claudia Unterweger (Bild), im Gartenbaukino statt. Das Festival, das es sich zur Aufgabe gemacht hat, den Blick auf das Unbequeme zu richten und dort hinzusehen wo andere wegsehen, öffnet heuer bereits zum sechsten mal seine Pforten. Die gezeigten Filme orientieren sich an den Schwerpunkten: Education, LGBTI Rights Worldwide, this human WORKS und Women Make Movies und stehen ein für die Sichtbarmachung sozialer Kämpfe für ein freies Leben. Die Filme bilden ein Bewusstsein für die gesellschaftspolitischen Herausforderungen in einer globalisierten Welt.
Begleitet werden die Filme von einer Vielzahl von Diskussionen, Workshops und Lesungen.
“This human World” läuft noch bis 12. Dezember in verschiedenen Kinos in Wien. (Programm)