“Kampfhubschrauber in den Synagogen”

Am Samstag, den 23. November 2013 widmeten sich das Ökumenische Begleitprogramm in Palästina und Israel (kurz EAPPI) einen ganzen Tag lang dem israelisch-palästinenischen Konflikt. Das dezidierte Ziel dieser Veranstaltung war es aber nicht, neue Lösungsvorschläge und Initiativen zu diskutieren, sondern vielmehr stand der Vernetzungsgedanke im Vordergrund: zahlreiche österreichische Organisationen mit religiösem und auch nicht-religiösem Hintergrund arbeiten vor Ort mit PalästinenserInnen und Israelis, um durch ihre jeweiligen Beiträge das Leben unter Besatzung zu verbessern. Bisher aber buk jede der Organisationen mehr oder weniger nur ihr eigenes Brot, von Kooperation und Kohärenz keine Spur, dem Wiener 3C- Appell zum Trotz. Um dem entgegen zu wirken lud EAPPI zum Informations- und Vernetzungstreffen mit anschließender, öffentlicher Podiumsdiskussion.

Kriterium für die Teilnahme am Treffen war die Bekenntnis zur Gewaltfreiheit (die von den teilnehmenden Organisationen jedoch individuell ausgelegt wird: z.B. spricht Pax Christi von “Feindesliebe”) und der Einsatz für ein Ende der Besatzung. Die vertretenen Organisationen hatten großteils einen eindeutig christlichen Hintergrund (bspw. Pax Christi, Evangelische Akademie), unter den TeilnehmerInnen befanden sich aber auch JüdInnen und MuslimInnen die teils aus Palästina/ Israel angereist waren um die Diskussion zu bereichern.

Vertrauensprobleme in den Komfortzonen

Der Vormittag wurde vor allem zum Kennenlernen der unterschiedlichen Ansätze und Initiativen benutzt, während sich die Anwesenden am Nachmittag hingegen zu Arbeitsgruppen formierten, um konkrete Ideen und Möglichkeiten zur Vernetzung zu sammeln. Shabka gesellte sich zur Arbeitsgruppe “Politische Aktion, Lobbying und Advocacy in Österreich/auf EU-Ebene” und erhielt hier eine kurze thematische Einleitung anhand des Beispiels von BDS, einer internationalen Initiative, die durch wirtschaftliche und politische Boykotts bzw. Sanktionen die israelische Regierung zur Aufgabe der Besatzung auffordern will. Der Vertreter von BDS zeigte sich auch von Anfang an sehr verwundet über die Tatsache, dass es in Österreich kein Forum oder Ähnliches zur vernetzten und kohärenten Unterstützung Palästinas gibt, bedenke mensch die bestehende Verbindung, welche gerade in der Ära Kreisky gefestigt wurde.

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Der Gedanke an stärkere Zusammenarbeit oder zumindest etwas mehr gegenseitige Information wurde von den meisten TeilnehmerInnen sehr positiv aufgenommen, einige aber zeigten eher Abneigung und begründeten dies berechtigterweise mit der Angst, eigene, über die Jahre gefestigte, Themenschwerpunkte aufgeben zu müssen. Andere hingegen sprachen sich eher gegen eine Kooperation aus, konnten oder wollten diese Abneigung aber nicht begründen bzw. schlossen von vorn herein mögliche Kooperationspartner aus um nicht Irgendjemandem (d.h. politischen Entscheidungsträgern) auf die Füße treten zu müssen. Speziell durch diese Aspekte der Diskussion wurde das im Vordergrund stehende Vertrauensproblem der vielen, ideologisch unterschiedlich gepägten Organisationen klar sichtbar.

Apelle und konstruktive Ansätze

IMG_20131123_135144Nach einiger Diskussion und der Erkenntnis, dass die Gründung eines Forums oder einer Plattform zum jetzigen Zeitpunkt etwas überstürzt wäre, einigte sich die Arbeitsgruppe “Politische Aktion, Lobbying und Advocacy in Österreich/auf EU-Ebene” auf die von den Shabka TeilnehmerInnen vorgeschlagene Durchführung eines österreichweiten Organisations-Mappings um alle potentiellen PartnerInnen zu filtern. Daraus könnte sich als adho-Initiative ein Online-Koordinationskalender erstellen lassen, der den beteiligten Organisationen mehr Raum zur Abstimmung von Veranstaltungen, ReferentInnen, usw. bieten würde. Eine anschließende tiefere Vernetzung zwischen den verschiedenen Organisationen solle daran anknüpfend in einem “geeinteren Vorgehen” münden, durch das sich auch gemeinsame Themenschwerpunkte (wie z.B. Jahresschwerpunkte) herausbilden könnten.

Zum Abschluss des Vernetzungstreffens stellten alle drei Gruppen ihre jeweiligen Ansätze vor, neben den bereits erwähnten Punkten der Arbeitsgruppe 1 sprach sich beispielsweise die Arbeitsgruppe “Religiöse Beiträge und Initiativen” für mehr Alternatives Reisen aus. Stark kritisiert wurde dahingehend, dass Pilgerreisen ins heilige Land einer Art “Durchschleusung durchs heilige Land” gleichkommen. Bei solchen Reisen würde man nicht für den israelisch-palästinensischen Konflikt sensibilisiert werden, sondern rein an einer religösen Propoagandareise teilnehmen, die keine Kontakte zur PalästinenserInnen und deren Lebensrealitäten zulasse.

Die Arbeitsgruppe “Möglichkeiten für konkretes Friedensengagement” war insofern spannend, als dass der später auch an der Diskussion teilnehmenden amerikanisch- jüdischen Befreiungstheologen Marc H. Ellis die Runde durch einige provokante Aussagen zu peinlichem Schweigen bewegte: Die ganze Diskussion um Initiativen für ein Ende der Besatzung sei obsolet, da die Besatzung bereits seit über 30 Jahren besteht und sich an dieser Tatsache in nächster Zukunft auch nichts ändern bzw. dies eher noch gefestigt werde. Weiters sei die Idee einer Kooperation mit Institutionen wie der israelischen Kultusgemeinde reines Wunschdenken. Viel wichtiger wäre es für die Anwesenden ihre eigentlichen Ziele und Vorstellungen zu überdenken und der aktuellen Realität anzupassen anstatt weiter tapfer gegen Windmühlen zu kämpfen. Frei nach Einstein war die Erkenntnis dieser Arbeitsgruppe, dass neue Probleme nicht mit alten Denkmustern gelöst werden können, was prinzipiell der Wahrheit entspricht, für uns aber auch einige Problematiken mit sich bringt: Die Aussage zwar brauchbar um Aufzurütteln, aber zu wenig differenziert und nur wenig mit einer analytischen Brille beobachtet. Das scharz-weiße Bild, das dadurch gezeichnet wird verkennt den Zugang und die Initiaitve einer jungen Generation an Palästina/Israel AktivistInnen.

“Versilberte Kampfhubschrauber”

Am Ende des Tages wurden bei der Podiumsdiskussion mit Marc H. Ellis, Mustafy Abu Sway, Martha Tonsern und Jussuf Windischer vor allem verschiedene Aspekte der Realitäten des israelisch-palästinensischen Konflikts diskutiert. Während Martha Tonsern vor allem das Bild eines religös-romantischen Bildes von Bethlehem dekonstruierte, sprach sich Marc H. Ellis auf provokante und abstrakte Weise für eine Anerkennung der oft verdrängten Realität aus: “Das israelische Judentum stellt sich heute als SiedlerInnen-Judentum und Davidstern-Kampfhubschrauber-Raketen-Judentum dar.” Um diesem dunklen Bild zu entkommen, müsse man den inter-religösen Dialogen absagen und sich an den Realitäten vor Ort orientieren: “We are stuck and it is about getting unstuck.”

IMG_20131123_182702Das in inter-religösen Dialogen Politik oft keinen Platz findet, sieht Mustafa Abu Sway als eines der zentralen Probleme im Hinblick auf religöse Konfliktlösungsinitiativen. Gerade deshalb, weil die israelische Besatzung auch auf politischer Ebene die Ent-Humanisierung der PalästinserInnen vorantreibe. Inter-religöser Dialog, der dem etwas entgegensetzen wolle, sei keine Sache der Basis, sondern der Elite und bleibe meist in einer theoretischen Ebene verhaftet.
Seine größte Angst im Hinblick auf die junge Generation ist, dass fähige, kompetente junge Leute zunehmend das Land verlassen um Arbeit im Ausland zu finden. In einer solchen Situation neutral zu bleiben ist für Mustafa Abu Sway mehr als unmoralisch, man müsse Position beziehen. Wie für Mustafa Abu Sway ist es auch für Jussuf Windischer zentral sich gewaltfrei auf die Seite der Unterdrückten [wer auch immer diese aus sicht des/der BetrachterIn sein mögen, A.d.R.] zu stellen, um die Realität zu ändern.

Auch die Rolle der Kirche wurde angesprochen und – zurecht – kritisiert. Obwohl sich das Verhalten der Kirche seit einigen Jahren zum Positiven verändert, schweigt vor allem die katholische Kirche unter der Last der Shoah zur Situation der PalästinenserInnen und zur israelischen Besatzung meinte Jussuf Windischer.

Österreichs historische Verbindung zum Nahost-Konflikt, sowie die von manchen gewünschte Position als internationaler Mediator, liese eigentlich auf eine starke und geeinte zivile Friedensbewegung schließen, die Realität sieht aber anders aus: mangelnder Kooperationswillen, ideologische Differenzen und unterschiedliche Denkansätze sind nur die ersten großen Hürden denen sich die TeilnehmerInnen dieser Veranstaltung stellen mussten. Der erste Schritt in Richtung “geeinteres Vorgehen” ist zwar getan, ob aber die Vorteile eines koordinierteren Zusammenarbeit für die einzelnen Organisationen weiterhin genug Anreiz darstellen, bleibt abzuwarten.

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