Mali: Von der Fast Food Demokratie zum Samen der Hoffnung?

Vor knapp zwei Monaten, am 4. September 2013, wurde der frisch gewählte Ibrahim Boubacar Keita als Präsident Malis offiziell inauguriert. Vor ihm und vor der malischen Zivilbevölkerung liegt nun ein mühsamer und steiniger Weg wenn Frieden, wirtschaftlicher Aufschwung und Stabilität auch langfristig Einzug halten sollen.

Ende Juli diesen Jahres fanden in Mali die ersten freien Wahlen seit der Krise im Norden des Landes, wo bewaffnete Rebellengruppen im Norden des Landes den unabhängigen Staat Azawad ausriefen. Shabka berichtete bereits ausführlich über den Konflikt und, einige Tage nach den Wahlen, über die zahlreichen Probleme mit denen sich die Regierung und die malische Zivilbevölkerung konfrontiert sah: mangelnde Transparenz, logistische Fehlberechnungen, mangelnder Zugang der Bevölkerung zu den Dokumenten die sie für die Wahl benötigen, falsche Daten (Name, Wohnort, etc.) der WählerInnen, etc.

Von Anfang an war Ibrahim Keita, von seinen AnhängerInnen „IBK“ getauft, einer der Favoriten in dieser Präsidentschaftswahl und die Prognosen bestätigten sich bereits kurze Zeit nach Schließung der Wahllokale. Am 4. September 2013 wurde Keita schließlich in sein Amt eingeführt und ist nun der offizielle Präsident des Landes.

Vor ihm liegen Monate voll harter Arbeit: das Land ist durch den Konflikt insbesondere im Norden wirtschaftlich stark geschwächt und die islamistischen Gruppierungen waren zwar teilweise am Friedensprozess beteiligt, einige aber (wie beispielsweise Ansar Dine) sprachen sich von Anfang an dagegen aus. Sie bleiben im Moment noch untergetaucht, es ist aber zu erwarten, dass sie sich nach wie vor in der nördlichen Region Malis ebenso wie in den angrenzenden Staaten Algerien, Niger und Mauretanien verstecken und ihren Kampf für einen islamischen Staat in Westafrika nicht so schnell aufgeben. Zusätzlich zu der Bedrohung von islamistischen Gruppen ist der Norden des Landes immer noch gespalten: die Touareg fühlen sich nach wie vor benachteiligt und viele Einwohner sprechen sich öffentlich weiter für die Spaltung des Landes aus. Diese Menschen muss Keita davon überzeugen, dass die Einheit Malis die optimale Lösung für Alle ist und auch nur gemeinsam eine optimale Zukunft schaffen können. Was gegen das Vertrauen der Bevölkerung arbeitet ist die anhaltende Korruption, gerade in höchsten Regierungs- und Militärkreisen. Reformen und Umstrukturierungen müssen schnell und konstruktiv umgesetzt werden, um die Zweifel der Bevölkerung aufzuheben und der Gefahr zu entgehen, dass Korruption und Klientelismus weiterhin die Tagespolitik bestimmen.

Zusätzlich zu politischer und wirtschaftlicher Unsicherheit sieht sich Keita mit einem riesigen Schwall an zurückkehrenden Flüchtlingen konfrontiert: über eine halbe Million Menschen bereiten sich in der Umgebung Malis auf eine Rückkehr in die Heimat vor. Diese Menschen müssen sowohl mit Nahrungsmitteln als auch mit Arbeitsplätzen versorgt werden um neuen Unruhen entgegenzusteuern. Verstärkt wird die persönliche Unsicherheit durch eine schwere Dürreperiode in der gesamten Region.

Ibrahim Keita wird sich also vor allem mit folgenden Herausforderungen auseinandersetzen müssen:

  • Aufbau der Wirtschaft
  • Wiedereingliederung der Flüchtlinge
  • Versöhnungsprozess zwischen Norden und Süden bzw. zwischen den verschiedenen Bevölkerungsgruppen
  • Kampf gegen Korruption und Klientelismus
  • Reform des Staats- und Militärapparats

In der Zwischenzeit haben sich auch einige islamistische Gruppierungen wieder aus der Versenkung erhoben und fordern mit mehr oder weniger großen Anschlägen immer wieder Opfer in der Zivilbevölkerung. Dem gegenüber steht eine wieder erstarkende malische Armee, die von PeacekeeperInnen aus den Reihen der MINUSMA sowie der Europäischen Trainingsmissione ausgebildet werden (EUTM), momentan aber immernoch von der Unterstützung der internationalen Gemeinschaft abhängig.

Im Moment wird Keita also noch tatkräftig von Frankreich, der Afrikanischen Union und der UN-Mission MINUSMA unterstützt, da gerade letztere aber die Lage vor allem durch die immense Truppenstärke unter Kontrolle hat stellt sich mir die Frage nach dem Danach:

Wenn die MINUSMA abzieht oder in ihrer Truppenstärke reduziert wird, wird Mali bereit sein dieses entstehende Machtvakuum zu füllen? Wird die Armee soweit reformiert, trainiert und ausgestattet sein um sich der „Bedrohung im Norden“ zu stellen? Wird die Wirtschaft sich soweit erholen um die zurückkehrenden Flüchtlinge aufzunehmen und den einst blühenden Außenhandel wieder aufnehmen zu können? Wird die Bevölkerung das Vertrauen in ihre PolitikerInnen zurückgewinnen und gemeinsam, Hand in Hand eine bessere Zukunft für alle aufbauen?

Die Antworten auf diese Fragen werden sich wohl erst in einigen Jahren herauskristallisieren, die Samen dafür werden aber heute schon gesät.

Dieser Artikel ist in abgeänderter Form bereits in Ausgabe III/2013 der Zeitschrift International erschienen.

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