Teil I der Artikelserie zum Konzept der Resilienz in der Sicherheitsforschung auf www.sicherheitspolitik-blog.de
Die Resilienz nimmt eine paradoxe Stellung im politischen Diskurs ein. Sie bezeichnet die Fähigkeit eines Systems größere Störungen so zu bewältigen, dass es nicht zusammenbricht. Resilienz verkörpert also Hoffnung auf eine (neue) Art von „nachgelagerter“ Sicherheit in einem internationalen Umfeld, das als zunehmend komplex und daher unbegreiflich, unkontrollierbar, und störungsanfällig verstanden wird. Das Resilienz-Paradox besteht in einem die staatliche Macht untergrabenden Eingeständnis von Schwäche auf der einen (Ohnmacht) – und der damit einhergehenden Überkompensation auf der anderen Seite (Allmacht).
Zum einen kann die Resilienz als Ausdruck einer nicht länger nur impliziten Ohnmacht des traditionellen Sicherheitsapparates gedeutet werden. Sich der Resilienz zu verschreiben heißt, sich dazu zu bekennen, dass Gefahren nicht mehr durch traditionelle Methoden abgewehrt und Risiken nicht mehr ausreichend analysiert und reduziert werden können. Einen Zustand von nationaler Sicherheit gibt es im Resilienz-Zeitalter nicht mehr – die Unsicherheit ist die Norm, die Störung als mögliche Katastrophe wird ständig antizipiert. Die Verantwortung für die Bewältigung dieser Katastrophe, deren Eintritt als sicher angenommen wird, obwohl der Zeitpunkt des Eintritts sich unserem Wissen entzieht, wird, zu einem Teil zumindest, auf verschiedene Subsysteme (z.B. die Bevölkerung oder auch die Privatwirtschaft) abgewälzt. Ganz besonders offensichtlich ist das bereits seit längerem im Bereich von kritischen Infrastrukturen (und deren Schutz), von wo aus der Wunsch nach Resilienz in vielen Ländern zunehmend auch auf ökonomische, politische oder soziale Systeme überschwappt.
Zum anderen dominiert als logische Konsequenz dieser Ohnmacht eine spezifische Deutung der Resilienz, die im Vergleich zu der reichhaltigen Forschungstradition in verschiedenen Disziplinen eindimensional und verkürzt ist. Wenn Resilienz mit nationaler Sicherheit verknüpft wird, dann ist sie quasi immer (nur) ein Mittel zur Wiederherstellung eines prädefinierten Zustands, der sich durch (wiedergefundene) Stabilität und Normalität auszeichnet. Dabei steht diese Lesart der Resilienz im Gegensatz zu chaotischen, und unkontrollierbaren Systemveränderungen, die komplexe Systeme auszeichnet. Auch hierbei war der Diskurs zum Schutz von kritischen Infrastrukturen maßgeblich: Ausgehend von technischen Systemen, die einen spezifischen (und nicht variablen) Zweck zu erfüllen haben, wird die kuriose Idee von „kontrollierter Emergenz“ unreflexiert auf zahlreiche und sehr unterschiedliche Sicherheitsthemen übertragen.
In dieser Situation wird der Resilienz gegenwärtig der Status eines Allerheilsmittels zugesprochen, das nicht nur eine andere und neue Art von Sicherheitsgefühl zulässt, sondern auch den komplexen Raum der Unsicherheit mit der Illusion einer neuen Art der Kontrolle über komplexe Systeme zu füllen vermag. Was sicherheitspolitische Akteure sich in letzter Instanz wünschen, ist eine Gesellschaft, die schnell und ohne Probleme zu machen zum „business-as-usual“ zurückkehrt; egal, was passiert. Das Problem dabei ist, dass sich die Resilienz als latente Eigenschaft von komplexen Systemen unter diesen Umständen nie wird entfalten können, denn kontrollierte Stabilitätswiedererreichung und Resilienz, der ein chaotischer, vielleicht sogar anarchischer Zustand vorausgehen könnte, sind diametral entgegengesetzte Konzepte. Ein eher unangenehmes Erwachen aus dem gegenwärtigen Resilienztraum ist daher vorprogrammiert – außer, Regierungen akzeptieren, dass Resilienz sich vielleicht fördern lässt (falls das demokratisch erwünscht wird), jedoch nicht „von oben“ forciert werden kann.