Der moderne, demokratische Rechtsstaat, so wie ihn die Menschen der „westlichen“ Welt kennen und für selbstverständlich erachten, ist historisch betrachtet ein junges Gebilde, dass als Produkt komplexer, zusammen spielender Faktoren gesehen werden muss. Dieser Rechtsstaat, zeichnet sich vor allem dadurch aus, dass er für sich das Recht beansprucht, Gewalt legitim zu beanspruchen und auch auszuüben, wenn es darum geht, seine Bürger und die Institutionen des Staates selbst, zu wahren und zu verteidigen.
In diesem Essay wird zunächst ein Blick auf die Entstehung des Gewaltmonopols in der „westlichen“, europäischen Hemnisphäre geworfen werden, welche Entwicklungen im Verlauf der letzten Jahrhunderte zu seiner Entstehung beigetragen haben, aber auch, wie es von Theoretikern und Intellektuellen unserer Kultur wahrgenommen und analysiert wurde.
Die Ausführungen werden chronologisch vorgehen und sich der Zeitspanne, beginnend mit dem Westfälischen Frieden im Jahr 1648, bis hin in das 20. Jahrhundert widmen. Der „Ort der Handlung“ wird sich grob auf Europa beschränken, aber es muss auch gleich klar gestellt werden, dass ein Essay in dieser Form nicht in der Lage ist, dermaßen ins Detail zu gehen, um länderspezifische Eigenheiten herauszuarbeiten. Es werden zwar einzelne Beispiele angeführt werden, um einen Gesamtkontext zu liefern, einem Anspruch auf Vollständigkeit kann und will dieser Aufsatz aber nicht gerecht werden.
Nach dieser historischen Betrachtung soll in einem theoretischen Teil auf das Dilemma des Monopolbegriffes eingegangen werden und wie das Gewaltmonopol mit der Souveränität des Staates zusammenhängt.
Der Essay soll zeigen, dass das Ideal des Gewaltmonopols zwar bis zu einem gewissen Grad möglich ist, man aber im Grunde nie von einem „Monopol“ an sich wird sprechen können, da es immer in Frage gestellt, oder an gewissen Orten einfach nicht durchgesetzt werden kann, ohne in totalitäre und diktatorische Verhaltensmuster zu verfallen. Letzten Endes, soll durch die historische Betrachtung und die theoretischen Überlegungen der prozesshafte Charakter dieser Entwicklung verdeutlicht werden.
Die Entwicklung zum Gewaltmonopol
Die Zäsur des Westfälischen Friedens ist für diesen Essay nicht zufällig gewählt. Die Forschung ist nämlich nach wie vor nicht sicher, wann der „Startschuss“ für die Entwicklung zum Gewaltmonopol erfolgte – der Westfälische Frieden im Jahr 1648, ist aber sozusagen ein Kompromiss, auf den man sich geeinigt hat.
Ab diesem Zeitpunkt sehen Forscher wie Münkler, oder van Creveld eine Entwicklung zu einer Verstaatlichung des Krieges. Diese „Verstaatlichung“ führte somit in weiterer Folge nicht nur zu einer „Verrechtlichung“, wie es Münkler formuliert, sondern leitete auch eine relative Symmetrisierung des Krieges ein. Relativ deshalb, da die Begriffe des „Symmetrischen“ und „Asymetrischen Krieges“ in den letzten Jahren eine Renaissance erlebt haben, ausgelöst durch den Krieg gegen den Terrorismus und die heikle Lage in Konfliktherden wie dem Nahen und Mittleren Osten, aber auch Lateinamerika. Dabei musste man sich eingestehen, dass beide Kriegsformen, immer parallel zueinander existiert haben, und nie nur eine davon überhand nehmen konnte.
Die Ausbildung des Gewaltmonopols, so wie es hier in Europa gekannt und ausgeübt wird, hat besondere Charakteristika. Das bedeutendste Merkmal, das für weite Teile der Welt gilt, dürfte wohl die Differenzierung in ein nach außen und in ein nach innen gerichtetes Monopol sein. Beide sind jedoch nicht komplett unabhängig voneinander, sondern mittels Interdependenzen verbunden. Diese Aufteilung zwischen Militär und Polizei bzw. anderen Exekutivorganen, hat durchaus seine Gründe, allein schon wegen der andersartigen Problemstellung und Ausbildung letztgenannter Institutionen, und ist ein Indiz für die historisch gewachsene Professionalisierung auf diesem Gebiet. Wolfgang Reinhard sagt hierzu: „Diese klare Aufgabenteilung zwischen Militär und Polizei ist ein wesentliches Merkmal der westlichen politischen Kultur, das deren voll entwickelten modernen Staat abermals von anderen Gemeinwesen unterscheidet. Das Fehlen einer leistungsfähigen staatlichen Polizei und die Notwendigkeit, statt dessen zur Repression im Inneren Militär einzusetzen, erweist sich nämlich in Geschichte und Gegenwart als Kennzeichen einer schwachen Staatsgewalt.“ (Reinhard 2000, S.363).
Aber was sind diese historischen Gründe für die Differenzierung? Mit dem 18. und 19. Jahrhundert, erfolgte eine zunehmende Abspaltung von Militär und Gesellschaft in mehrerlei Hinsicht: Man baute eigene Infrastrukturen auf, die z. B. in Fragen der Versorgung, Verwaltung und Medizin zivile Institutionen ablösten. Nicht nur aufgrund dieser Expansion des Militärapparates, wurde selbiger auch für die Wahrung der Sicherheit im Inneren herangezogen, was tragischerweise zu teils übermäßig eingesetzter Gewalt bei Krawallen führte, da das Militär für den Krieg und gegen trainierte Armeen ausgebildet war.
Man rief also eine weitere Institution des Gewaltmonopols ins Leben, mit einer auf Prävention ausgelegten Herangehensweise, anstelle der reaktiven Form der Repression durch das Militär. Die Entwicklung dieser Einrichtung benötigte eine längere Anlaufphase, und war noch von Versuchen geprägt, mehr als nur heutige Polizeiaufgaben abzudecken. So versuchte man in Paris beispielsweise auch Angelegenheiten wie die Feiertagsheiligung, Straßenreinigung, Buchzensur oder Getreideversorgung zu überwachen, was großteils erfolglos war. Dennoch konnte man sich in weiterer Folge so behaupten, dass das Modell der französischen Hauptstadt als Vorbild für andere europäische Metropolen herangezogen wurde. Hier sei St. Petersburg (1718), Berlin (1742) und Wien (1751) genannt.
Wien erfuhr vor allem unter Kaiser Joseph II. eine Polizeireform, die sich in einer Zentralisierung der Polizeidirektion bzw. der Polizeihofstelle für Sicherheit und Verbrechensprävention äußerte. Hier entwickelte sich schnell eine Staatsschutzbehörde inklusive Überwachungsapparat, mit dem Ziel der Informationsbeschaffung, Zensur und Überwachung der Post. Die Stände versuchten diese Entwicklung zunächst zu sabotieren, da sie ihre Freiheiten in Gefahr wähnten. Als dann aber noch die Gendarmerie dem Polizeiminister unterstellt wurde, prägte sich der repressive Charakter des Gewaltmonopols hierzulande endgültig aus.
In Frankreich wurde unter Napoleon Bonaparte zwar auch ab 1799 eine Zusammenlegung der vorhandenen Institutionen vorangetrieben, die Kontrolle über die Gendarmerie erhielt der zuständige Minister hier aber nicht.
Indem zusätzlich noch das Strafvollzugssystem inklusive Gefängnissen forciert wurde, wurde der Anfang des modernen Rechtsstaates begründet auf dem die heutigen Demokratien basieren. Um die Legitimität dieser Entwicklung zu untermauern, wurden in weiterer Folge jegliche Versuche, die vom Staat in Anspruch genommenen Gewaltbefugnisse zurückzuerlangen, durch negative Konnotationen wie Rebellion, Aufstand, Verbrechen und Terrorismus gebrandmarkt und somit verpönt. Somit wurde die Gewalt, wenn sie nicht eingedämmt wurde, in den Untergrund oder die Peripherie gedrängt, was für die These dieses Essays markant ist!
Wenn man sich nun als Nächstes die Entwicklung des nach außen gerichteten Gewaltmonopols näher ansieht, so kann man konstatieren, dass auch hier ein langwieriger Prozess durchlaufen werden musste, bis letzten Endes die Kontrolle der Gewalt beim Staat lag. Herfried Münkler sieht in diesem Prozess drei markante Aspekte, die vonseiten der Staatenwelt unternommen wurden. Als erstes ist die Abkehr von Söldnerarmeen und die Aufstellung von eigenen, staatlichen Truppen zu nennen, die in eigenen Kasernen diszipliniert wurden. Der nächste Punkt wäre der Ausbau waffentechnischer Innovationen, wie der Artillerie, und der dadurch ausgelöste Rüstungswettlauf der Staaten, die nun als Einzige in der Lage waren, diesen Wettlauf auch finanziell zu bewerkstelligen. Der dritte und letzte Aspekt bezieht sich auf taktische und technische Änderungen, die im Endeffekt zum endgültigen Gewaltmonopol führten (Münkler 2005, S. 101, 104, 106f).
Wenn man sich die Heere des 17. Jahrhunderts ansieht, kann man nicht von staatlichen Truppen sprechen. Söldnerarmeen, fand man stattdessen auf jedem Territorium Europas, seien es die Condottieri in Italien, die Reisläufer aus der Schweiz oder die deutschen Landsknechte. Soldat bzw. Söldner war eine akzeptierte Berufsform, die man für eine gewisse Zeit ausübte, um Geld zu verdienen. Nicht zuletzt sprach man ja vom „Kriegshandwerk“. Das Stichwort Geld war auch für die kriegführenden Parteien relevant. Kriege wurden auf Kredit geführt und die Haltung von Söldnerarmeen zwang die Staaten, ihr Steuersystem wirtschaftlicher zu gestalten, um diese Anleihen zurück zu zahlen. Im Grunde konnten nämlich nur die damaligen Bankhäuser die benötigten Summen vorstrecken und Kriegsanleihen mutierten zu Spekulationspapieren der damaligen Zeit.
Um den Punkt der Disziplinierung aufzugreifen, sei an dieser Stelle erwähnt, dass man nach der Abkehr von den Söldnerarmeen damit begann, eigene Truppen zu kasernieren, disziplinieren und mittels Eid auf den Staat einzuschwören. Mit dem Militär wurde dem Soldaten zusätzlich ein sozialer Aufstieg und Prestige gegeben, um sie wiederum an das neue System zu binden.
Mittels Drill und einer von nun an genormten Ausbildung, ermöglichte man auch kompliziertere Manöver und somit komplexere, militärische Operationen. Frankreich verfügte als Erstes über eine staatliche Armee, Preußen entschloss sich erst nach den Niederlagen bei Auerstadt und Jena dazu, so ein Modell zu verwenden. Nachdem man aber ab 1813 Erfolg damit hatte, entwickelte sich die preußische Armee zu einem derartigen Vorzeigemodell, dass es mehrfach in Europa nachgeahmt wurde.
Ein weiterer Aspekt, der von Münkler angesprochen wurde (genauer gesagt, der Zweite der drei Angeführten) war und ist die technische Innovation, die vor allem im Bereich der Artillerie zu finden ist. Hier konnte man sich letzten Endes nicht zuletzt wegen der bereits erwähnten neuen Steuersysteme gegen die zivilen Berufssparten durchsetzen, die zunächst ihr Spezialwissen erfolgreich verteidigen konnten, und eben gegen eine Verstaatlichung kämpften. Durch diese neuen Waffensysteme musste man plötzlich in punkto Verteidigung in komplett anderen Maßstäben denken und planen. Dünne Stadtmauern lieferten nun keinen Schutz mehr gegen die neuartigen Kanonen und nur die wenigsten Städte und Adelshäuser konnten sich den Bau einer Bastion leisten. Somit wurden weitere Akteure vom Kriegsgeschehen sprichwörtlich ausgegrenzt und der Staat hatte nunmehr die alleinigen finanziellen und materiellen Mittel Krieg zu führen.
Mit der Artillerie änderte sich auch das Gefechtsfeld, womit der dritte und letzte Punkt Münklers thematisiert wird. Sinnbild hierfür ist die oranische Heeresreform, die in ihrer Aufstellung der Infanterie deren Musketenfeuer effektiver nutzte und gleichzeitig weniger Angriffsfläche für die Artillerie bot. Hier kam vor allem der bereits erwähnte Drill und eine genormte Ausbildung mithilfe von Handbüchern zum Tragen.
Man kann also sagen, dass sich nur mehr ein Staat, eine solche Kriegsführung leisten konnte im Hinblick auf Mensch, Material und verteidigten Stellungen sowie Bastionen. Dies hatte auch humanitäre Vorteile, da man nun dem (soldatischen) Menschenleben mehr Wert zumaß und im Zuge dessen zwischen Kombattanten und Zivilisten unterschied und für Erstere eine bessere Behandlung im Falle einer Gefangennahme garantieren konnte.
Resümiert man nun die verschiedenen Komponenten (Polizei, Militär, Steuer- und Bankwesen, Innovationen am Schlachtfeld und der der Technik), so merkt man sehr schnell, dass die Herausbildung des Gewaltmonopols ein Produkt komplexer Vorgänge ist. Vor allem der finanzielle Aspekt spielt hier eine große Rolle, aber auch der ideologische. Mit dem Aufkommen der Nationalstaaten stieg auch das Selbstbewusstsein der Bürger. Mit Bürgerrechten kam auch die Meinung, dass diese vom Volk verteidigt werden sollten. Der Eid löste den Vertrag zwischen Soldat und Heeresführer bzw. Staat ab. Mentalitätsgeschichtlich ist dies im Bezug auf das Bürgertum ein prägnanter Punkt.
Was aber viel wichtiger ist, vor allem für diesen Essay, sind die Implikationen, die diese Ausführungen mit sich bringen:
Durch die Kasernierung der Truppen und die langfristige Anstellung, wurden diese an ihre Standorte gebunden und waren nur noch im Kriegsfalle mobil. Zivile Akteure wurden somit aus dem „Kriegshandwerk“ gedrängt, oder – sofern dies nicht möglich war – kriminalisiert.
Die Polizei war zwar für die innere Sicherheit zuständig, aber gleichzeitig noch im Aufbau begriffen und auf die Metropolen bzw. Hauptstädte konzentriert. Die Peripherie war nach wie vor auf Selbstschutz bzw. unzureichende Organe angewiesen. Am Land musste man sich nämlich anfangs noch der Selbstjustiz bedienen, da es nur vereinzelt Institutionen gab, die sich der Sicherheit in der Provinz annahmen. Hier sei beispielsweise der Village Constable in England genannt. Ein europaweites Problem war nämlich die nicht sesshafte Bevölkerung; hier vor allem ehemalige Soldaten. Hierfür wurde nur langsam eine angemessene Problemlösung geschaffen, die sich letzten Endes in der Institution der Gendarmerie äußerte, die für die Sicherheit am Land zuständig war und sich langsam aber sicher europaweit verbreitete.
Somit muss man sagen, dass sich der Staat zwar das Recht auf die Kriegsführung angeeignet hatte, aber gleichzeitig das sogenannte Gewaltmonopol zunächst nur an zentralen Punkten ausüben konnte, bis er es auch bis in die Peripherie in ausreichender Form ausweiten konnte.
Das Dilemma des Gewaltmonopols
Rückt man nun von der historischen Betrachtung ab und widmet sich der theoretischen Perspektive, so muss man zunächst beim Begriff des „Monopols“ ansetzen, den man vor allem aus der Wirtschaft kennt. Dass eine wirtschaftliche Vormachtstellung jedoch zweifelsohne leichter zu behaupten ist, als eine staatliche Monopolstellung der Gewalt muss an dieser Stelle auch konstatiert werden.
Das Monopol muss demnach als ein Prozess gesehen werden, der ständig am Laufen ist und voraus setzt, dass es ein Ziel gibt, nichtstaatliche Gewalt zu verbieten, dass nur der Staat die Mittel hat seine Vormachtstellung durchzusetzen und letzten Endes dies auch durch- und einsetzen kann (Anter 1995, S.44).
Im Grunde benötigt man eine gewaltfreie Gesellschaft, um von einem absoluten Gewaltmonopol sprechen zu können. Da dies jedoch eine Utopie ist, allein schon aufgrund des menschlichen Machtdranges, ist der Prozess der Durchsetzung der staatlich legitimen Gewalt ständig am Laufen.
Eng verknüpft mit dem Gewaltmonopol und sozusagen interdependent mit ihm verbunden, ist der Faktor „Souveränität“. Nur solange man das eigenen Territorium souverän beanspruchen kann, wird man auch von einem unabhängigen Staat sprechen können. Dennoch ist schon die Beanspruchung von Souveränität ein Indiz dafür, dass selbige angefochten und gegen Konkurrenten verteidigt werden muss. Wer sie also beansprucht, muss gleichzeitig auch die Kapazitäten haben, sie nach innen und außen verteidigen zu können. Eine Existenz nach innen kann nur durch einen Schutz nach außen gewährleistet werden, was wieder einmal das Zusammenspiel des inneren und äußeren Gewaltmonopols vor Augen führt. Die Gewaltanwendung nach außen wurde zwar mittlerweile völkerrechtlich begrenzt und ist zumindest theoretisch nur mehr im Verteidigungsfall erlaubt, Beispiele für den schmalen Grat zwischen präventiven Schlägen und Aggression finden sich jedoch tagtäglich in den Medien.
Wenn man die Ausführungen Max Webers zu Rate führt, sieht man, dass dieser den Machterhalt des Staates mit der Einhaltung des Gewaltmonopols erklärt. Politische Gebilde sind für ihn „Gewaltgebilde“, die sich darin auszeichnen auf Gewalt zurückzugreifen, um ihre Interessen zu wahren. Neben Weber sehen auch Soziologen wie Norbert Elias oder Walter Benjamin eine Notwendigkeit im Monopol der legitimen Gewalt. Elias konstatiert, dass Herrschaftsverbände erst durch das Gewaltmonopol zu einem Staat werden; es wird also zu einer Existenzbedingung. Benjamin sieht auch dieses Merkmal im modernen Staat, das alleine schon deshalb notwendig ist, da es – wie bereits erwähnt – utopisch ist, an eine gewaltfreie Gesellschaft zu glauben.
Der angesprochene, prozesshafte Charakter der Entwicklung zum Monopol hin, verlief ohne eine gezielte Planung. Vielmehr waren es weltliche Zwänge, die die Potentaten Europas dazu zwangen ihre Gebiete zu pazifizieren; es ging hierbei buchstäblich um schiere Konkurrenzfähigkeit, die eine Zentralgewalt vonnöten machte. Dabei löste sich aber auch ein Kampf um die Vormachtstellung der Eliten aus – laut Elias ein Kampf um das soziale Überleben, bei dem der Gewinner die Schlüsselpositionen und Gewaltbefugnisse gewann. Dieser ständige Kampf zeigt auch, dass es nie einen absoluten Anspruch von Gewalt geben kann. Das Monopol wird einmal mehr, einmal weniger forciert und ist einem ständigen Konkurrenzkampf ausgesetzt.
Das größte Dilemma des Gewaltmonopols ist wohl, dass es nie zu hundert Prozent durchgesetzt werden kann. Nicht einmal totalitäre Staaten können verhindern, dass es Akteure gibt, die im Inneren gegen sie agieren. Außerdem muss man in Betracht ziehen, dass es mittlerweile Tendenzen gibt, das „Monopol“ aufzuweichen und wieder zunehmend private Entitäten aufkommen, die sich zwar innerhalb der staatlichen Normen bewegen (sollten), aber dennoch Funktionen übernehmen, die sich der Staat über einen langen Zeitraum mühsam erkämpft hat. Hier hat man nicht das „Problem der Peripherie“, sondern viel mehr eine freiwillige Aufgabe von staatlicher Macht. Einmal mehr muss man sich also eingestehen, dass die Evolution dieses markanten Merkmals von moderner Staatlichkeit nach wie vor im Gange ist und heute wie auch damals von sozialen, politischen, wirtschaftlichen aber auch kulturellen Komponenten beeinflusst wird. Historisch gesehen, ist die „Lebensspanne“ des Gewaltmonopols relativ kurz. Es würde also nicht verwundern, wenn es sich langsam in eine andere Form transformiert, die den momentanen globalen Realitäten entspricht. Die Forschung spricht nicht umsonst bereits von einem überstaatlichen Welt-Gewaltmonopol, dass als drohendes Gewalt-kartell Frieden erzwingen könnte.
Mit Blick auf die momentanen Konfliktherde auf der ganzen Welt, scheint dies bis jetzt jedoch eine leere Drohung zu sein.
Verwendete Literatur
- Andreas Anter, Max Webers Theorie des modernen Staates. Herkunft, Struktur und Bedeutung, Berlin 1995.
- Deborah Avant, From Mercenary to Citizen Armies: Explaining Change in the Practice of War. In: International Organization 54 (1), Winter 2000, S. 41-72.
- Walter Benjamin, Zur Kritik der Gewalt und andere Aufsätze. Frankfurt/ Main 2. Aufl. 1971.
- Artur Bogner, Die Theorie des Zivilisationsprozesses als Modernisierungstheorie. In: Helmuth Kuzmics, Ingo Mörth (Hg.), Der unendliche Prozeß der Zivilisation. Zur Kultursoziologie der Moderne nach Norbert Elias, Frankfurt, New York 1991, S. 33-58.
- Martin van Creveld, Aufstieg und Untergang des Staates. München 1999.
- Jonathan Fletcher, Violence and Civilization. An Intoduction to the Work of Norbert Elias, Cambridge 1997.
- John Hoffmann, A Glossary of Political Theory. Edinburgh 2007.
- Axel Honneth, „Zur Kritik der Gewalt“. In: Burkhardt Lindner (Hg.), Benjamin-Handbuch. Leben-Werk-Wirkung, Stuttgart, Weimar 2006, S. 193-210.
- Burkhardt Lindner, Derrida. Benjamin. Holocaust. Zur Dekonstruktion der „Kritik der Gewalt“, In: Klaus Garber, Ludger Rehm (Hg.), Global Benjamin. Bd.3, München 1999, S. 1691 – 1723.
- Detlef Merten, Rechtsstaat und Gewaltmonopol. In: Recht und Staat in Geschichte und Gegenwart, Eine Sammlung von Vorträgen und Schriften aus dem Gebiet der gesamten Staatswissenschaften, Bd. 442/443, Tübingen 1975.
- Herfried Münkler, Die neuen Kriege. 2. Aufl. Hamburg 2005.
- Herfried Münkler, Marina Münkler (Hg.), Lexikon der Renaissance. München 2005.
- Wolf-Dieter Narr, Das nicht so neue Tandem: Gewalt und Globalisierung. In: Prokla 125, Nr. 4/2001, S. 491-510.
- Karl-Siegbert Rehberg, Prozeßtheorie als >>Unendliche Geschichte<<. Zur soziologischen Kulturtheorie von Norbert Elias, In: Helmuth Kuzmics, Ingo Mörth (Hg.), Der unendliche Prozeß der Zivilisation. Zur Kultursoziologie der Moderne nach Norbert Elias, Frankfurt, New York 1991, S. 59-78.
- Wolfgang Reinhard, Geschichte der Staatsgewalt. Eine vergleichende Verfassungsgeschichte Europas von den Anfängen bis zur Gegenwart, 2. durchgesehene Aufl. München 2000.
- Werner Ruf, Politische Ökonomie der Gewalt. Staatszerfall und Privatisierung von Gewalt und Krieg, In: Derselbe (Hg.), Politische Ökonomie der Gewalt. Staatszerfall und Privatisierung von Gewalt und Krieg, Obladen 2003. S. 9-47.