Entwicklungshilfe zwischen Zakat und Soft Power
Saudi Arabien zählt zu den größten Gebern von Entwicklungshilfe weltweit. Das absolutistische Königreich investiert Milliarden in humanitäre Hilfe. Daneben existieren – besonders seit 9/11 – Gerüchte über die weltweite Finanzierung salafistischer Extremisten. Saudische Gelder wandern zwischen Philanthropie und politischer Einflussnahme hin und her.
Als größter Erdölförderer der Welt besitzt Saudi Arabien ca. 25 Prozent der erwiesenen Reserven. (Vgl. Wötz 2006) Das daraus entstandene Vermögen dient nicht nur der persönlichen Bereicherung des Herrscherhauses, sondern sichert auch die Existenz der gesamten Golfmonarchie. Milch und Honig fließen im Wüstenstaat trotzdem nicht: 30 Prozent der Bevölkerung leben in einer unzureichenden Wohnsituation. (Vgl. Arab News 2013) Zahlreiche strukturelle Faktoren prognostizieren eine wachsende Unzufriedenheit. Der HDI (Human Development Index) des Landes beträgt 0,782 – auf dem gleichen Platz wie Bulgarien und knapp vor Kuba, der Gender Inequality Index (GII) zeichnet – wenig überraschend – ein düsteres Bild: gerade einmal Platz 135 von 146 wird der Golfmonarchie eingeräumt. (Vgl. UNDP 2013) Puncto Pressefreiheit rangiert man gemäß Reporter ohne Grenzen auf Platz 163 von 179. (Vgl. Reporters without Borders 2013) Hinzu treten ein hohes Maß an Klientelismus und Korruption. Aufgrund einer hohen Anzahl ausländischer Arbeitnehmer – etwa ein Drittel der Gesamtbevölkerung haben keine Staatsbürgerschaft – wurde das Prekariat gewissermaßen ausgelagert. Heute sieht man sich jedoch mit massiven Preissteigerungen, einer erhöhten Lebenserwartung und mit sinkenden Erdöleinnahmen konfrontiert. Diese Zahlen treffen auf ein Land zu, dessen Bevölkerung zu 80 Prozent aus Menschen unter 30 Jahren besteht und zudem stark im Wachstum begriffen ist. (Vgl. Nolan 2011)
Die Verteilung der Einnahmen aus dem Erdölbusiness gestaltet sich immer schwieriger und irgendwann wird der letzte Tropfen im Sand versiegen. “Peak Oil” liegt – abhängig vom Experten – in ferner bis nicht allzu ferner Zukunft. Noch verfügt man über genügend Einnahmen, um die Unzufriedenheit im eigenen Lande mittels finanzieller Zuwendungen zu plätten.
Zwei wesentliche Faktoren beeinflussen die Zukunft Saudi-Arabiens und damit auch die seiner humanitären Aktivitäten: Sein Erdölreichtum und bedacht gewählte Bündnisse, national wie international.
Pragmatische Freundschaften
Die Voraussetzung für den relativen Reichtum Saudi Arabiens und sein internationales, wie innenpolitisches Standing, liegen in den sorgfältig gewählten Allianzen des Hauses Al-Saud mit seinen Partnern. Diese reichen von Washington bis Riad und neuerdings auch nach Peking. [1. Der saudische Ölkonzern SAUDI-ARAMCO ist äußerst präsent in China; Unlängst wurde der Bau einer Raffinerie in der südwestlichen Provinz Yunnan beschlossen. Fördervolumen: 200.000 Barrel pro Tag.]
Nachdem in den 1930er Jahren in der saudischen Wüste erstmals Erdöl entdeckt wurde, standen bald amerikanische Diplomaten und Unternehmer an der Türschwelle, um einen strukturschwachen Beduinenstaat beim Aufbau seiner Erdölindustrie tatkräftig zu unterstützen. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Allianz der USA mit dem saudischen Königreich in Stein gemeißelt. Unangenehme Fragen – etwa zu Meinungs- und Pressefreiheit wurden seither kaum gestellt. Man ist zu sehr voneinander abhängig, das Verhältnis ist geprägt von Opportunismus und Pragmatismus. Bis heute ist man am internationalen Markt auf den “swing producer” Saudi Arabien angewiesen, das aufgrund seines Ölreichtums die Fördermenge den Marktbedürfnissen anpassen kann.
Ein weiterer, machtvoller Pakt ist wesentlich älter: Die Familie Al-Saud ist seit langem mit dem wahabitischen Establishment verbündet. Diese einflussreiche Allianz sichert die religiöse Legitimität und den Fortbestand beider Häuser. Die Wahhabiya ist eine konservative, hanbalitisch beeinflusste Richtung des Islam, die sich auf ein wortgetreues und ursprüngliches Verständnis des Koran bezieht. Mit den beiden heiligsten Stätten Mekka und Medina verfügt das Haus Al-Saud über eine (globale) religiöse Legitimität. Seit 1986 nennt sich der saudische König “Wächter der zwei heiligen Moscheen”. Die wahabitische Elite unterstützt diese Haltung und gesteht der königlichen Familie die “rechtmäßige Führerschaft” oder “wali al-ahd” zu. (Vgl. Davidson 2012: 73)
Öl: Das Schmiermittel der Wirtschaft
Profite aus der Rohstoffindustrie sind überlebenswichtig für sämtliche Golfmonarchien. Die saudische Wirtschaft ist eine klassische Rentenökonomie, die sich nicht über Steuern, sondern über Einnahmen aus dem Erdölgeschäft finanziert. Der “Ölsegen” wird über wirtschaftliche Mechanismen an die einheimische Bevölkerung verteilt: Subventionierungen für Industrie, Förderung extensiver Landwirtschaft, Landverteilungspolitik und staatliche Beschaffungspolitik. (Vgl.: Wötz 2006: 14) Wie lange genau das Öl noch sprudeln wird, ist schwer absehbar. Derzeit fördert Saudi Arabien täglich ca. 7,6 Millionen Barrel Rohöl pro Tag. Bis 2030 soll, je nach Quelle, die Förderung auf 4,9 Millionen Barrel fallen, was von offizieller Seite oft dementiert wird. Schenkt man dem amerikanischen Energieministerium Glauben, wird die Produktion auf 15,4 Millionen Barrel pro Tag erhöht. (Klare 2011: 103) Wie lange auch immer eine Steigerung der Erdölförderung betrieben wird, die Renten werden nicht ausschließlich zur Umverteilung genutzt: Einem Wikileaks Bericht zufolge wandern alleine zwei Milliarden US-Dollar direkt in das familiäre Umfeld des Hauses Al-Saud. Bei einem jährlichen Budget von 40 Milliarden Dollar ist das immerhin ein Zwanzigstel. (Vgl.: Mouzahem 2013) Teile dieser privaten Gelder werden in Stiftungen oder für humanitäre Zwecke investiert – über den genauen Umfang lässt sich streiten.
Offizielle Leistungen
Die offiziellen ODA-Leistungen (Official Deveopment Assistance, OECD) Saudi Arabiens können sich zweifelsohne sehen lassen: Saudi Arabien ist nicht nur der größte Non- DAC-Geber (Development Assistence Comitee der OECD) – vor China – sondern gibt auch gemessen am Bruttoinlandsprodukt einen ungleich hohen Anteil für humanitäre Hilfe aus. In den Jahren 1975-2005 vergaben saudische Institutionen im Durchschnitt 3,7 Prozent (!) des Bruttoinlandprodukts, oder in Summe 90 Milliarden US-Dollar für humanitäre Zwecke. (Vgl. Al-Yaha, Fustier 2011: 4)
Im Jahr 2010 waren es immerhin 0,8 Prozent des Bruttonationaleinkommens, d.h. nach wie vor über den Vorgaben der Millennium Development Goals der Vereinten Nationen. Im Vergleich dazu: Die offiziellen ODA-Leistungen Österreichs betrugen im Jahr 2012 0,28 Prozent des Bruttonationaleinkommens – eine geradezu lächerlich anmutende Zahl, insbesondere wenn man die HDI-Rankings der beiden Länder dem Vergleich hinzuzieht.[2. HDI-Werte: Österreich: Nr. 18, Saudi Arabien Nr. 57] ( Vgl. Austrian Development Agency 2013)
Die saudischen Geber-Institutionen unterscheiden wenig zwischen der eher kurzfristigen humanitären Hilfe und einer langfristigeren Auffassung von Entwicklungszusammenarbeit, aus diesem Grund wird die zeitliche Ausrichtung der Hilfeleistungen nicht berücksichtigt.
Zu den Schwerpunktländern zählen traditionell die arabischen Nachbarn des Königreiches, insbesondere Jemen. Außerdem sind Palästina und der Libanon seit jeher Empfänger großzügiger Unterstützung. Neben den arabischen Nachbarn zählen Staaten mit hohem muslimischen Bevölkerungsanteil zu den Hauptempfängern, bzw. jene Länder mit denen man eine strategische Partnerschaft führt. Die Zuwendungen werden bevorzugt “In-Kind” ausgegeben, d.h. in Form von Sachleistungen. Bilaterale Hilfe genießt gegenüber multilateralen Unterstützungen den Vorzug.
Zu den Akteuren saudischer Entwicklungshilfe zählen zahlreiche staatliche, semi-staatliche und nicht-staatliche Organisationen (siehe Grafik unterhalb). Der Saudi Fund for Development ist vergleichbar mit einem Ministerium für Entwicklungszusammenarbeit. Dieser verhandelt zudem die Zuschüsse für multilaterale Organisationen. Aus der Grafik wird deutlich, dass die Struktur der saudischen Entwicklungshilfe sehr starr ist, nahezu sämtliche Institutionen haben in irgendeiner Weise ein Naheverhältnis zum königlichen Hof.
Die einzige Behörde, die sich mit dem Monitoring von humanitärer Hilfe befasst, ist das Innenministerium. Die 2005 gegründete “Financial Investigation Unit” soll zumindest Abflüsse in informelle Kanäle verhindern. Einen speziellen Fall stellen semi-staatliche Organisationen dar, die über Spendenaufrufe zahlreiche Einnahmen lukrieren. (Vgl. Al-Yaha, Fustier 2011: 17) Zakat oder Almosengabe zählt zu den fünf Säulen des Islam.
Multilaterale Hilfe
Im Jahr 2010 machten die Ausgaben für multilaterale Organisationen 17 Prozent des Gesamtaufkommens der ODA Saudi Arabiens aus – in Zahlen 609 Millionen Dollar (Vgl. OECD 2011) Darüber hinaus ist das Königreich ein wichtiger Financier regionaler Organisationen. Der Saudi Fund for Development subventioniert 27 Prozent der Islamischen Entwicklungsbank, 15 Prozent des Arab Monetary Fund, 30 Prozent des OFID (OPEC Fund for International Development) sowie 25 Prozent der Arab Bank for Economic Development in Africa. Diese Liste könnte vermutlich beliebig fortgeführt werden, Saudi Arabien ist in zahlreichen weiteren humanitären Organisationen präsent. Für Furore sorgte eine Gabe des Königreiches im Zuge der Nahrungsmittelkrise 2008: Hilfeleistungen in Höhe von 500 Millionen US-Dollar wurden dem Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen (WFP) zur Verfügung gestellt. Diese Spende war bei weitem die höchste, die das WFP in seiner Geschichte erhalten hatte. In den letzten Jahren ist eine Diversifizierung der Entwicklungshilfe Saudi Arabiens zu beobachten. Das Königreich leistete nach dem Erdbeben in Haiti 2010 einen Beitrag von 50 Millionen US-Dollar für den Emergency Relief Response Fund der Vereinten Nationen. (Vgl. Smith, 2011) Damit war Saudi Arabien der größte nationale Geber. Kritische Stimmen verorten hier eine Anbiederung an die USA, da die Hilfszusage verspätet kam bzw. die Vereinigten Staaten in Haiti sehr präsent sind. (Vgl. Al-Yaha, Fustier 2011: 26f.)
Entwicklungshilfe: “Soft-Power” und moralische Verpflichtungen
Saudi Arabien hat durch seine historisch-kulturelle Disposition eine gewisse Verpflichtung zur Hilfe, möchte es seine religiöse Legitimation nicht verlieren. Humanitäre Unterstützung kann allerdings auf unterschiedlichste Weise für handfeste Eigeninteressen genutzt werden und abseits jeglicher ethisch-moralischer oder religiöser Ansprüche. Hier unterscheidet sich Saudi Arabien wohl kaum von seinen westlichen Counterparts. Großzügige Zuwendungen sind dem Königreich insofern dienlich, dass damit innenpolitisch reaktionäres Handeln gekonnt kaschiert werden kann. So erscheint es dann weniger paradox, dass sich jenes Land als “Kingdom of Humanity” bezeichnet, das ganze Bevölkerungsgruppen unterdrückt, Minderheiten marginalisiert und von einem rückwärtsgewandten religiösen Autoritarismus geprägt ist. “Soft-Power” reicht jedoch über Herrschaftslegitimation hinaus und dient ebenso der Erweiterung des regionalen Einflusses: nach der Invasion Iraks im Jahr 2003 investierte Saudi Arabien Milliarden Dollar in Form von Krediten, um so die Einflussnahme Irans zurückzudrängen. Dieser Versuch ist zumindest gescheitert. Im Libanon lieferten sich saudische und iranische Geber einen Wettlauf der Großzügigkeit, wobei jeweils die religiösen Stellvertreter an der Levante unterstützt wurden. Sicherheitspolitische Erwägungen spielen eine weitere Rolle, insbesondere in Jemen. Neben klassischer humanitärer Hilfe stellen strategische Investments – vornehmlich in westlichen Industrienationen – eine weitere Säule der “Soft-power” Instrumente Saudi Arabiens dar. Diese rangieren von Grundstückskäufen bis zur Finanzierung renommierter universitärer Institute. Christopher Davidson spricht in seinem Buch von “Mainstreaming Wahabism”. (Davidson 2012:. 98ff.) Der Versuch das wahabitische Verständnis des Islam auch auf akademischer Ebene voranzutreiben wird durch prominente Beispiele ersichtlich: Das Center for Islamic Studies in Cambridge wird von der Al-Waleed bin Talal al Saud Stiftung mit kolportierten 13 Millionen US-Dollar finanziert. Ähnliches trifft für das Oxford Center for Islamic Studies zu, sowie für zahlreiche weitere westliche Universitäten und Bildungseinrichtungen, vornehmlich in den USA. (Vgl. ebd.: 101f.)
Ägypten Post-Mursi: Die Golfstaaten als Alternative zum IWF?
Die Politik des Internationalen Währungsfonds (IWF) ist gekennzeichnet durch eine neoliberale Prägung und Mitgrund für die konstante Verschlechterung der sozioökonomischen Lage – insbesondere für Arbeiter und Bauern. Die Unterzeichnung eines weiteren Kredits steht im Raum. (vgl. Gamal 2013)
Nachdem das Militär Ägyptens Präsident Mohammed Mursi des Amtes enthob, reagierten Saudi Arabien, Kuwait und die Vereinigten Arabischen Emirate überraschend schnell. Die Golfmonarchien versprachen finanzielle Unterstützung von insgesamt zwölf Milliarden Dollar, davon zwei in Form von Erdöllieferungen. Angesichts der immer schwerer wiegenden finanziellen und strukturellen Probleme Ägyptens wurde die Finanzspritze euphorisch entgegengenommen. Ob diese Zuwendungen an formelle oder informelle Konditionen geknüpft sind, bleibt abzuwarten. Man darf allerdings davon ausgehen, dass man ebenso wie der IWF eine Vorstellung von der “passenden” Verwendung der Gelder hat. Jedenfalls sprach sich König Abdullah in seiner Ramadan-Ansprache explizit gegen ein Parteiensystem aus. (vgl. Arab News 2013b)
Informelle Kanäle: Salafistische Kräfte als verlängerter Arm des Königreiches?
Dass saudische Gelder bei der Finanzierung terroristischer Aktivitäten eine Rolle spielen, ist grundsätzlich nichts Neues. Einer geleakten Depesche zufolge bezeichnete Hillary Clinton Saudi Arabien als »größten Unterstützer von Terroristen«. Damals wurde ein direkter Zusammenhang zu den Attentaten in Mumbai hergestellt. Die Terrororganisation Laschkar e-Taiba (Die Armee der Reinen) habe Spendengelder in Saudi Arabien lukriert. (Vgl. The Independent 2010) Spätestens seit der iranischen Revolution 1978/79 dient die Finanzierung sunnitischen Extremismus als wesentliches “Soft-Power” Instrument. Salafistische Bewegungen als homogene Masse darzustellen, wie dies tendenziell der Fall ist, greift allerdings zu kurz. Auch innerhalb der Salafiya gibt es unterschiedliche Positionen. Eine Radikalisierung der Wahabi-Salafiya fand vornehmlich im 20. Jahrhundert statt – tatkräftig unterstützt vom amerikanischen Engagement in Afghanistan, bzw. als Reaktion auf den “Arabischen Sozialismus” à la Nasser. (Vgl. Münch-Heubner 2012: 87) Der wesentliche Unterschied zu damals ist, dass die heutigen Kontrahenten des Wahabi-Salafismus den Muslimbrüdern nahestehende Gruppen sind, oder säkulare Parteien. Im Laufe des sogenannten Arabischen Frühlings liefern sich die unterschiedlichen Ableger einen Kampf um die politische Vormachtstellung. Ein mittlerweile prominenter Beleg dafür ist das Verbrennen katarischer Fahnen im Zuge säkularer Proteste in Tunesien.
Ein weiteres gutes Beispiel für die vielfältige Einflussnahme Saudi-Arabiens ist der syrische Bürgerkrieg. Das Königreich liefert sowohl Waffen für die fragmentierten Rebellen, als auch humanitäre Unterstützung für die Opfer der Gewalt. Gelder aus den Golfmonarchien flossen zumindest an die salafistische Gruppierung “Ahrar al-Sham”, der syrisch-saudische Prediger Adnan al-Arour dient dabei als Drehkreuz. (vgl. Lund 2013) Allerdings sind die genauen Finanzierungsmechanismen unbekannt. Staatliche Organisationen werden nicht mit Terrorfinanzierung in Verbindung gebracht. Die Gelder laufen zumeist über private Kanäle oder Stiftungen.
Ein Königreich der Angst? – Die Auswirkungen der arabischen Revolten
Zu Beginn des sogenannten arabischen Frühlings hat sich die saudische Monarchie schnell aufseiten der nordafrikanischen Despoten positioniert. Großmufti Al-Sheikh bezeichnete die Auflehnung gegen die Diktatoren als “chaotischen Akt”. (vgl. Davidson 2012: 202) Nunmehr versucht man tunlichst sich in einem positiveren Licht darzustellen – die Monarchie sei anders. “Soft-Power” Instrumente wie humanitäre Hilfe und strategische Investitionen scheinen dabei äußerst nützlich. Das Überleben der Golfmonarchien hängt direkt mit dem Wohlbefinden ihrer adeligen Pendants in Marokko und Jordanien zusammen. Da erscheint es nicht verwunderlich ,wenn der Golfkooperationsrat (GCC) im September 2011 jeweils 2,5 Milliarden US-Dollar für Projekte in Marokko bzw. Jordanien bereitstellte. (vgl. ebd.: 205) Auch innenpolitisch gelang ein Geniestreich: Der saudische Staat investierte die astronomisch anmutende Summe von 130 Milliarden US-Dollar in seinen Wohlfahrtsstaat, davon 14 Milliarden US-Dollar direkte Boni an Beamte, außerdem eine erhebliche Steigerung des Arbeitslosengeldes. Daneben wurden 60.000 Jobs im Innenministerium geschaffen, wovon ein Gutteil mit hoher Wahrscheinlichkeit direkt in den Sicherheitsapparat geht. (vgl. ebd.: 213) Demgegenüber steht eine Rhetorik der schrittweisen politischen Reform, die sich allerdings bis dato auf Lippenbekenntnisse beschränkt, im Gegenteil – eine Verschärfung der Anti-Terror Legislatur steht im Raum.
Die wachsende Instabilität wird zur Herausforderung für das Königreich. Vermehrte Investitionen in den Sicherheits- und Polizeiapparat werden die Regierung zu Ausgabenkürzungen in der Wohlfahrt zwingen. Technologische Fortschritte wie Social Media – in Saudi Arabien gibt es 400.000 Twitter User – drohen das Bild des “Kingdom of Humanity” von innen her zu zerstören und ermöglichen eine globale Vernetzung. Entwicklungshilfe als “Soft-Power” Instrument ist nur dann nützlich wenn gegensätzliche Stimmen zum Schweigen gebracht werden. Dies wird zusehends zur Herkulesaufgabe.
Und was das Erdöl betrifft: Memento Mori.
Eine ältere Version dieses Artikels ist in International II/2013 erschienen.
Zitierte Literatur:
- Al-Yaha, Khalid, Nathalie Fustier: Saudi Arabia as a Humanitarian Donor: High Potential, Little Institutionalization.Global Public Policy Institute. (= GPPi Research Paper Vol. 14, March 2011)
- Arab News (2013): Housing inadequate for 30% of Saudis, 22.03.2013. Online [Zugriff: 09.06.2013]
- Arab News (2013b): A strong message against extremism, 14.07.2013. Online [Zugriff: 18.07.2013]
- Austrian Development Agency 2013: Online [Zugriff: 09.06.2013], Zahlen vorläufig berechnet.
- Davidson, Christopher M. (2012): After the Sheikhs. The coming collapse of the Gulf Monarchies. London: Hurst
- Gamal, Wael (2013): Interview with Jadaliyya. Online [Zugriff: 22.07.2013)
- The Independent (2010): Online [Zugriff 09.06.2013].
- Klare, Michael T. (2011): Das Öl der Saudis reicht nicht. In: Le Monde Diplomatique. Arabische Welt. Ölscheichs, Blogger, Muslimbrüder. Berlin: taz. S.103 (= Edition Le Monde Diplomatique Vol. 11)
- Lund, Aron (2013): Syria’s Salafi Insurgents. The Rise of the Syrian Islamic Front. (= UI Occasional Papers Vol. 17, March 2013)
- Mouzahem, Haytham (2013): The State of Saudi Reform. In: Al-Monitor. Online [Zugriff: 09.06.2013]
- Münch-Heubner, Peter (2012): Die Salafiya. Eine Bewegung zwischen Religion und Politik. Politische Studien 444
- Nolan, Leigh (2011): Managing Reform? Saudi Arabia and the King’s dilemma. Brookings Doha Center. (= Policy Briefing Paper May 2011)
- OECD 2011: What do we know about multilateral aid? The 54 Billion Dollar question. OECD.
- Reporters without borders (2013): WPFI. Online [Zugriff: 09.06.2013]
- Smith, Kerry (2011): Non-DAC Donors and Humanitarian Aid. Shifting Structures, changing Trends. Sommerset: Global Humanitarian Assistance (= GHA Briefing Paper Vol. 1 2011)
- UNDP (2013): Country Profile Saudi Arabia. Online [Zugriff: 09.06.2013]
- Wötz, Eckart (2006): Saudi-Arabien: Energieriese zwischen geopolitischer Neuausrichtung und innenpolitischer Reform. Bonn: Friedrich Ebert Stiftung (= FES Analyse: Saudi Arabien)