Intelligente Energiewirtschaft braucht auch intelligente Politik

Die Zukunft des Umweltschutzes liegt nicht allein im Energiesparen

Wir sind nicht in der Lage durch das oft propagierte Energiesparen den ständig steigenden Energiekonsum in den Griff zu bekommen. Lösungsansätze die nicht beim Konsumenten, sondern vielmehr bei den Energieerzeugern bzw. der Energiepolitik ansetzen, sind zielführend.

Zwischen 1995 und 2008 ist der Energieverbrauch in Österreich von 1.676.688 Terrajoule (TJ) auf 1.947.933 TJ gestiegen[1. www.statistik.at/web_de/static/integrierte_namea_1995-2008_-_ergebnisse_im_ueberblick_022731.pdf. Zugriff am 22.05.2011.], das ist eine Zunahme von rund 16 Prozent. Im selben Zeitraum ist die Bevölkerung Österreichs aber nur um rund fünf Prozent angewachsen, von 7.948.278 Einwohnern (1995) auf 8.336.549 (2008)[2. www.statistik.at/web_de/static/ergebnisse_im_ueberblick_jahresdurchschnittsbevoelkerung_031331.pdf. Zugriff am 22.5.2011.].

Daraus lässt sich schließen, dass unsere Gesellschaft zunehmend mehr Energie verbraucht, was eine energiepolitische Herausforderung darstellt. Nicht nur wollen Menschen mobil sein und unterhalten, ernährt und beschäftigt werden, sie wollen dies auch in zunehmender Weise. Diesem „Druck von unten“ muss die energiepolitische Ausrichtung in Zukunft gerecht werden. Daher ist es wichtig einerseits einen realistischen energiepolitischen Weg zu finden, auf dem wir auch die formulierten Ziele der Umweltpolitik erreichen können. Andererseits muss dieser Weg sorgfältig in die uns umgebende sozioökonomische Landschaft gelegt werden. Apropos Umgebungsbedingungen: Den vorherrschenden Akkumulations- und Regulationsregimen, die einen Teil unseres Leben bestimmen, muss entlang dieses Weges die Möglichkeit zur Anpassung und Reform gegeben werden. Alles was wir kaufen, verbrauchen und verarbeiten wird durch das Verhältnis dieser beiden Regime konstituiert, von diesem Verhältnis hängt es ab wie viel Energie eine Gesellschaft verbraucht. Demzufolge ist genau  von diesem Verhältnis auch unsere Umwelt betroffen. Wer glaubt, dass Konsumenten in Zukunft zum Energiesparen bereit sein werden, der mag Recht haben. Dass dieser sich abzeichnende Trend in weiterer Folge aber heißt, dass wir weniger Energie verbrauchen und unserer Umwelt per se etwas Gutes tun, der irrt sich. Dieser Irrtum könnte weitreichende Folgen haben.

Die generelle Erhöhung der Energieeffizienz in Produktion und Konsum und die verstärkte Nutzung erneuerbarer Energiepotentiale (zusammenfassend bekannt unter dem Begriff „smart power) sind unumstritten wichtigste langfristige Ziele und unumgängliche Notwendigkeiten zukünftiger Energiepolitik. Was aber passieren muss, um dabei legitimen Ansprüchen des Umweltschutzes gerecht zu werden, wird kaum erwähnt. Die Fokussierung auf „smart power“ in der Energiepolitik stellt also weniger ein Konzept des Umweltschutzes dar, als dass es Kosmetik am ausbalancierten Verhältnis zwischen Produktions- und Konsummuster betreibt. Maßnahmen, die unter diesem Begriff umgesetzt werden sollen, werden nie ihr volles Potential entfalten können, wenn parallel dazu nicht echte, tiefgreifende Änderungen in sozioökonomischen Strukturen stattfinden.

Beobachtet man die Mechanismen staatlicher Intervention bei den steigenden Energieengpässen, wird klar wo die Unzulänglichkeit heutiger Energiepolitik verortet liegt: Energiesparen kann und soll nicht die langfristige Lösung für den Verbraucher sein müssen, sondern eine Forderung an Produktionsmuster darstellen. Wie man die Verantwortung des Energiesparens vom Konsumenten hin zur Produktion verlagert, sollte die wichtigste Frage der Energiewirtschaft sein. Wenn der Staat zu seinen Bürgern sagt: „Spart! Verbraucht weniger!“, wird oberflächliche Energiewirtschaft betrieben, die wenig nachhaltigen Wert für umweltpolitische Ziele hat. Intelligente oder moralische Forderungen des Umweltschutzes am Ende der Güterkette – beim Konsumenten – in energiepolitische Notwendigkeiten hineinzuweben, wird mittel- und langfristig keinen Erfolg bringen. Dies gilt gleichermaßen für Konsumenten, Produzenten, für die Anliegen des Umweltschutzes und ebenso für die Energiewirtschaft. Nach der Umweltkatastrophe am Golf von Mexiko tanken wir nach wie vor bei BP und legen unser Geld nach der Finanzkrise noch immer in Fonds an. Wenn dem Bürger gesagt wird, man solle seltener mit dem Auto fahren, mag das kurzfristig der bürgerlichen Geldbörse gut tun, gleichzeitig verschwindet aber jeglicher politische und technologische Druck energieeffiziente Produkte herzustellen. Die Politik hat die Verantwortung Produktionsmuster so zu regulieren, dass Bürgern bzw. Konsumenten innovative Produkte am Markt zur Verfügung stehen. Energieeffiziente Technologien müssen für die breite Masse der Bevölkerung einfach erhältlich sein. Verantwortungsvolle Politik muss mit dem vorherrschenden Konsummuster Innovationsdruck in den Produktionsstrukturen erzeugen.

Beispielsweise wäre es ein Leichtes für westliche Konsum- und Produktionsmuster 2-Liter-Autos bereitzustelle. Was fehlt, ist der politische Wille, Forderungen dieser Art auf Produktionsmuster umzulegen. Der Staat sagt seinen Bürgern: „Du hast ein 15-Liter-Auto, fahre ab jetzt weniger, das tut der Umwelt gut.“ Damit kastriert der Staat über Steuersysteme oder die öffentliche Meinung jedes innovative, umweltbewusste Denken. Die Politik entzieht sich so bis zur nächsten Legislaturperiode der Verantwortung den Bürgern gegenüber am Markt Produkte anzubieten, die unseren gesellschaftlichen und umweltpolitischen Anforderungen gerecht werden. Sie zieht sich damit aus der Affäre um unsere Zukunft, vor allem jener unserer Kinder und Enkelkinder.

Energiewirtschaftliche Argumentationen sind im Umweltschutz mit Vorsicht zu genießen, wenngleich sie die schlagkräftigsten Argumente bieten. In westlichen Gesellschaften leben wir ein großes Paradoxon: Wir denken, wir machen im Umweltschutz einen Schritt vorwärts, wenn wir am Wochenende weniger mit dem Familien-SUV fahren, in Wirklichkeit aber drehen wir uns mit diesem obsessiven „Energiehaushalten“ am Stand und kommen keinen Millimeter vorwärts. Das wir SUV’s fahren, wird weitgehend als unhinterfragte Gegebenheit akzeptiert. Unser Energieverbrauch steigt unter anderem ständig an, weil die Technologie, die wir benutzen nicht mit uns mitwächst. Diese Technologie ist nämlich meist alles andere als energieeffizient, als Beispiele genügen hier die Glühbirne und der Verbrennungsmotor. Die ungenutzten Potentiale im Bereich der nachhaltigen, grünen Technologien am Energiesektor bleiben aufgrund unzureichender ökonomischer Rentabilität (!) – so die gängige Argumentation – weiterhin ungenutzt.

Die Zukunft der europäischen Energielandschaft liegt, auch wenn es manchen misfallen mag, in den Potentialen unserer lokalen Produktions- und Konsummustern. Damit liegt sie an einem Ende versteckt, an dem wir es wahrscheinlich nicht vermutet hätten. Sie liegt vor unserer eigenen Haustüre und nicht in Russland und Gazprom oder in Saudi Arabiens Sonnenenergie. Genauso wenig liegt sie in der Sahara oder in Afrika und deren Rohstoffe, auch nicht in Nabucco oder South Stream. Wer in Zukunft von Energiewirtschaft redet, wird mehr denn je davon sprechen müssen, wie wir Produktion und Konsum dahingehend transformieren können, dass wir nicht nur weniger Energie brauchen und verbrauchen, sondern dabei auch der Umwelt etwas Gutes tun.

Allein den Mittelstand zu beschneiden und über Steuern in die Knie zu zwingen, wie das die österreichische Bundesregierung im Herbst 2010 vorgezeigt hat, ist sicherlich der falsche Weg und kann nicht die politische Antwort auf die zunehmenden Herausforderungen der Energiepolitik sein. Nur wenn man umweltpolitische Anliegen bereits in der Produktion verankert, werden wir die Strukturen unserer Energielandschaft so verändern können, dass diese auch den Ansprüchen des Umweltschutzes gerecht werden. Gleichzeitig müssen wir den Konsumaspekt in energiepolitische Relation zu Akkumulations- und Regulationsmustern setzen (lernen). Wenn wir unsere Umwelt weiterhin so scheinheilig schützen, werden wir sie kaputt machen. Smart power“ braucht „smart politics“, um wirken zu können.

This article was originally published in July 2011 in INTERNATIONAL – Zeitschrift für internationale Politik, Issue 2-2011.
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