Der unkoordinierte Rückzug vom Golan beschädigt nicht nur das internationale Ansehen Österreichs sondern verstärkt auch den Bedeutungsverlust der UNO
Bei den Debatten um den überhasteten Rückzug des österreichischen UNDOF-Kontingentes vom Golan geht meines Erachtens ein äußerst wichtiges Element völlig verloren: Die ganze Affäre wie auch andere Konflikte der jüngsten Zeit, auch der nach wie vor tobende in Syrien, haben die weitgehende Handlungsunfähigkeit der internationalen Staatengemeinschaft bei gewaltsamen Konflikten bewiesen. Auch das wiederholte Ausscheren einzelner Staaten (jüngstes Beispiel die Mali-Intervention Frankreichs) aus den nach wie geltenden völkerrechtlichen Leitlinien, formuliert in der UNO-Charta und anderen Dokumenten, bedeutet schlicht und einfach, dass der Grundkonsens von 1945 heute längst überholt ist. Die UNO ist tatsächlich – wie dies Michael Fleischhacker in seinem Kommentar am 10. des Monats in der Presse feststellte – eine Schönwetterinstitution, leider. Schuld daran ist aber sicherlich nicht die UNO sondern die führenden Fünf (die ständigen Mitglieder des Sicherheitsrates) und deren Vasallen. Diese verhindern die seit langem, spätestens seit der Beendigung des Kalten Krieges, notwendige Reform des internationalen Rechtssystems, vor allem aber der UNO. Diese Staaten, welche auch über die Kapazitäten zu größeren Militäreinsätzen verfügen, machen es sich bequem; wenn sie ihre Interessen in der UNO durchsetzen können, benutzen sie deren Strukturen, wenn nicht, setzt man sich mehr oder minder brutal über die im Völkerrecht zugrunde gelegten Grundsätze hinweg. Dann agiert halt die NATO oder überhaupt nur „Koalitionen der Willigen“. In diesem Zusammenhang auch eine Korrektur eines weitverbreiteten Missverständnisses: Die sogenannte „Responsibility to Protect“, welche bereits in einigen Fällen als Grundlage für militärische Interventionen herangezogen worden ist, beruht auf einer Resolution der UN-Generalversammlung vom 16.9.2005, stellt aber somit keine völkerrechtliche Norm dar. Diese Thematik, wie viele andere, wäre eben in der längst überfälligen Totalreform der UNO zu diskutieren und in eine neues zeitgemäßes Völkerrecht zu integrieren. Der Nahe und Ferne Osten ist voll von Beispielen derartiger „erfolgreicher“ Interventionen von Afghanistan über den Irak bis hin zu Libyen. In keinem dieser Länder ist es „dank“ der Militärinterventionen westlicher Staaten zu der behaupteten friedlichen Lösung bestehender Konflikte gekommen. Es sollte daher auch weiter nicht verwundern, dass die Meinung vieler Orientalen über die (militärisch haushoch überlegenen) westlichen Staaten nicht besonders positiv ist.
Österreich hat sich mit seinem Beschluss zum einseitigen und sofortigen Rückzug seines Kontingentes zu jenen gesellt, welche für den weiteren Bedeutungsverlust der UNO verantwortlich sind. Dies ist besonders bedauerlich, da Österreich als nach wie vor neutraler Staat eigentlich ein vitales Interesse an einer gestärkten und reformierten Organisation haben sollte. Dass damit eines der letzten Assets österreichischer Außen- und Neutralitätspolitik zum Teufel ging, scheint dabei keine Rolle gespielt zu haben. Damit setzt die Bundesregierung leider konsequent eine Entwicklung fort, welche aus einem höchst angesehenen internationalen Akteur einen Mitläufer werden ließ, dessen oberstes Prinzip es zu sein scheint, kaum mehr eigenständige und mutige internationale Initiativen zu setzen. Damit ist auch die Außenpolitik endgültig verboulevardisiert.
Dieser Kommentar erscheint am 13. Juni 2013 in der Tageszeitung Die Presse.