Colonialism and science together combined the dictates of piety and patriotism. As science advanced, so did the ‘civilizing mission’, in which ‘mother countries’ became children of the same processes to which they gave birth. Roy MacLeod
Diese Reflexion eröffnet die Möglichkeit Entwicklungsplanung kritisch zu beleuchten und weiterzudenken. Anlass dazu gibt ein gewisser Antagonismus von Planbarkeit und Nicht-Planbarkeit im Rahmen von Entwicklungsprojekten. Dieser Widerspruch stellt für mich ein wesentliches Problem derartiger Projekte dar, wenn auch bei weitem nicht ihr einziges. Ein Dilemma der Entwicklungsplanung ist, in diesem Spannungsfeld bestehen zu wollen (oder zu müssen). Die Motivation für Regierungen von Geberländern und einschlägigen Organisationen Entwicklung vorantreiben zu wollen, ist nur schwer fassbar, schwebt aber nicht selten zwischen wirtschaftlichem und kulturellem Imperialismus oder postkolonialen Schuldgefühlen. Betrachtet man die Entwicklungsthematik aber auf einer tieferen Ebene, so kann man erkennen, dass diese Gründe durch die Praxis vor Ort meist hinten angestellt werden. Vor Ort, also dort wo Entwicklung letztendlich passieren soll, dort wo die Entwicklungsplanung mit Lebenswelten konfrontiert wird, beginnen sich die verschiedenen Dimensionen des Begriffs „Entwicklung“ zu dynamisieren. Entwicklung wird auf diese Art zum persönlichen Anliegen einiger weniger Menschen transformiert.
Die Motive von Entwicklungsprojekten unterscheiden sich demnach auf den verschiedenen Umsetzungsebenen. Das Zusammenwirken der unterschiedlichen Umsetzungsebenen ist der Fragmentierung des gesamten Entwicklungsprozesses geschuldet und einerseits ihr Hemmschuh, andererseits ihr Antrieb.
Ein Beispiel dafür könnte der Ausgangspunkt von Entwicklungsplanung selbst sein. Der Planung eines Entwicklungsvorhabens geht eine Auseinandersetzung und Erhebung der Problemstellungen vor Ort voraus, nicht selten wird der Planungsprozess dann aber von ihren Bezugspunkten getrennt und nicht vor Ort durchgeführt, vielfach auch nicht von denselben Personen. Die darauf folgende Projektumsetzung kann genauso wie die vorhergehenden Prozesse einer Auslagerung („Contracting“ und „Subcontracting“) unterworfen werden. Die Ineffizienz einer solchen Auslagerung der Projektdurchführung ist nicht selten ein Produkt der zeitlichen Verzögerung, die zwischen Planungs- und Durchführungszeitpunkt liegt, sondern ebenso der Tatsache geschuldet, dass die Handlungsrahmen und -realitäten für Planer_Innen und Durchführende vielfach weit auseinanderklaffen.
Dazu ist anzumerken, dass Zugänge, die ein Projekt lediglich am relativen Erfolg messen, unweigerlich in eine Sackgasse führen müssen. Aussagen wie: „Ein gutes Projekt ist eines, das die Situation vor Ort zumindest nicht schlechter gemacht hat, als sie vor dem Projekt war“, heben den relativierenden Charakter eines solchen Zuganges hervor. Das ist deshalb problematisch, weil Lebenswelten vor Ort niemals relativ sind, sondern immer absolut; der Bezug von Projektleiter_Innen zum Ort an dem ein Projekt realisiert werden soll ist allerdings ein relativer. Er/ sie ist nur bis zum Zeitpunkt des Projektabschlusses verantwortlich für die funktionale Umsetzung der Projektziele. Damit entfremdet er/ sie sich vom Ort der Handlung schon während der Aufbauphase.
Eine weitere Tatsache betrifft den Abstrahierungsprozess, dem die Gestaltung von Instrumenten der Entwicklungsplanung zugrunde liegt. Der Versuch mit vorgefertigten Schemata der Vielfältigkeit und -schichtigkeit von Entwicklungsprozessen zu begegnen, erscheint äußerst problematisch. Durch einen makropolitischen Perspektivenwechsel wird auch klar warum: solche Schemata transformieren die vermeintlich aufrechtzuerhaltende Kompetitivität Europas durch einen solchen Abstrahierungsprozess in Projekte, die eigentlich der Kooperation unterliegen sollten.
Das so entstandene Paradigma gleichzeitig kompetitiv und kooperativ zu sein, stellt sich in den Ansätzen der Entwicklungsplanung auf eine sehr anschauliche Art dar: Durch die Institutionalisierung allgemeiner Projektzyklen werden Projekte unabhängig von äußeren Gegebenheiten überall auf der Welt implementiert. Diese Standardisierung von Projektzyklen und die damit einhergehende Herausbildung von Reproduktionsmechanismen der EZA-Instrumente entfernt sich damit linear von den Notwendigkeiten vor Ort (zusätzlich sinkt die Flexibilität vor Ort exponentiell). Kurz gesagt bedeutet die Kontrolle der Projektleitung, administrativ, finanziell und operativ einen unflexiblen Handlungsrahmen für die Projektdurchführung. Die räumliche Differenz zwischen Vorgaben und/ oder Planung drückt sich nicht zuletzt in der Projektumsetzung aus.
Die Phase der Problemidentifizierung im Zuge eines Entwicklungsprojektes erscheint oftmalig auch sehr undifferenziert. Um es vorweg zu nehmen: es ist vielfach mehr als ungenügend mit westlichen Methoden der Sozialwissenschaft nicht-westliche Kulturen zu beschreiben. Darauf aufbauend ein adäquat zugeschneidertes Projekt zu formulieren, sozusagen Zukunft für eine von den Geberländern unterschiedliche Kultur mit westlichen Methoden zu planen, erscheint den Menschen, die das Projekt schlussendlich betrifft, vielfach zu recht aufgesetzt. Die bereits angesprochene, durch Entwicklungsprojekte generierte, Kluft von Kooperation und Kompetitivität legt sich während eines Projektzyklus über soziale Netzwerke vor Ort und transformiert diese in weiterer Folge. Nimmt man nun an, dass diese Transformation von westlichen Konzepten begleitet ist, bleibt einem/ einer guten Projektleiter_In nichts anderes übrig, als Konkurrenzdenken funktional einzudämmen und lokale Wertesysteme aus dem Transformationsprozess herauszuhalten.
Am Ende bleibt der bekannte Gedanke den Entwicklungsbegriff selbst zu überdenken. Der Unterschied zur rein intellektuellen Auseinandersetzung mit dieser Herausforderung ist, dass sie im Rahmen von konkreten Projekten an lokalen Realitäten festgemacht werden kann.
Durch eine tiefere Auseinandersetzung mit den Prozessen, Herausforderungen und Problemen zyklischer Entwicklungsprojekte, kann Entwicklung etwas mehr aus der ihr vom Westen aufgezwängten Konnotation gelöst werden. Den Entwicklungsbegriff von sozialen Wertesystemen, lokaler Wissensproduktion und lokalem Wissen zu trennen, sowie die sozio-ökonomischen Realitäten vor Ort zu durchbrechen, anstatt sie zu transformieren, kann nicht der richtige Weg sein. Lokale Intellektuelle, Theorien, Ansätze, Entscheidungsträger_Innen und Institutionen halten für die Ent-wicklung von Entwicklung sicherlich hilfreiche und notwendige Lösungen bereit.